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Dich schlafen sehen

Dich schlafen sehen

Titel: Dich schlafen sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brasme
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Stirn zu bieten. Nein, ich war kein Schwächling, ab sofort würde ich dazugehören. Die anderen würden mich schrecklich beneiden, um mein Auftreten, die kleinste Geste und das kleinste Wort, das ich von mir gab. Ich stellte mir vor, wie ich am ersten Schultag unter ihren erstaunten Blicken meinen großen Auftritt hatte und so tat, als hörte ich ihr Getuschel nicht. Ich hatte es bis in alle Einzelheiten geplant, dieses vollkommen neue Leben, aus dem das Leid der Vergangenheit und die Bürde meines Rufs für immer verbannt waren.
    Der ersehnte Morgen kam.
    Ich ging auf die Gruppe meiner Klassenkameradinnen zu, die vor den Toren des Collège warteten. Ich ging langsam, mit leichten, aber forschen Schritten. Ich versuchte, mich selbstsicher zu fühlen. Jeder Schritt, den ich auf sie zumachte, hallte in meiner Brust im Takt meines Herzschlags. Je näher ich kam, desto mehr redete ich mir ein, ich hätte ein unerschütterliches Selbstvertrauen. Direkt vor dem Kreis, den sie bildeten, blieb ich stehen und rief ein lautes »Guten Tag!«
    Niemand bemerkte so richtig, dass ich da war. Ich blickte in die Runde, musterte ihre sonnengebräunte Haut und die neuen Kleider, die ihnen sehr gut standen. Einige Mitschülerinnen erkannte ich kaum wieder, so waren sie in nur einem Sommer gewachsen und zu Teenagern erblüht. Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr ich sie in diesem Augenblick hasste und wie sehr ich es mir verübelte, dass ich neben diesen Mädchen mit ihren vollkommenen Körpern so bemitleidenswert wirkte.
    Ich schwieg. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass es nach allem, was uns in der sechsten Klasse getrennt hatte, normal war, wenn sie meinem Erscheinen keine Beachtung schenkten. Irgendwann würde ihnen schon auffallen, wie sehr auch ich mich
verändert
hatte.
    Dann bemerkte ich eine Neue unter den Mitschülerinnen. Ein Mädchen stand da, mitten in der wogenden Menge. Alle hörten ihr zu. Sie sprach so selbstsicher und lebhaft, dass alle an ihren Lippen hingen, um ja kein Wort zu verpassen. Ich trat etwas näher und sah sie mir genauer an. Ihr Gesicht war nicht sehr hübsch: Kantige Züge, eine leicht gebogene Adlernase und ein zu weißer Teint prägten ein Gesicht, das unter ihren zottigen Paprikahaaren wenig anziehend wirkte; bei näherem Hinsehen hatten wir keinen Grund, auf sie neidisch zu sein. Aber dieses Mädchen hatte einen unglaublichen Charme. Vielleicht lag es an ihrem ausdrucksvollen Blick, der ihr etwas Geheimnisvolles verlieh. Oder an ihrer hellen, klaren und festen Stimme mit jener Art von Timbre, dem man stundenlang lauschen kann, ohne seiner überdrüssig zu werden. Das Mädchen lächelte. Sie erzählte von einer Reise in die Vereinigten Staaten, einer Kindheit in San Francisco, ich weiß nicht mehr genau. Alle hatten sich ihr zugewandt und hörten gespannt zu. Ich konnte es nicht fassen. Innerhalb von einer Minute hatte die Unbekannte die ganze Klasse in ihren Bann gezogen. Ich habe sie gehasst.
    Später erfuhr ich, dass sie Sarah hieß. Anscheinend hatte sie ihre Kindheit in Kalifornien verlebt und war dann in ihre Geburtsstadt Paris zurückgekehrt.
    Schon am ersten Tag ahnte ich, dass dieses ungewöhnliche Mädchen alle meine Pläne zunichte machen würde. Ich sollte Recht behalten. Aber in diesem Moment konnte ich nicht wissen, dass sie noch viel mehr tun würde.
    Ich setzte meine Vorhaben nicht in die Tat um. Ich kam gar nicht erst dazu. Sarah erschien auf der Bildfläche und fegte alles weg: meine Träume, meine Sehnsüchte, alle meine guten Vorsätze. Überall, wo sie hinkam, erregte sie die größte Aufmerksamkeit. Alles schien ihr zu gehören. Sie machte, was sie wollte. Und ich beobachtete sie, ohne etwas zu sagen. Ich war wieder der Schatten meiner selbst geworden. Eine Mauer trennte mich von den anderen. Und es wäre mir lieber gewesen, sie hätten mir ins Gesicht gespuckt, als mich einfach wie Luft zu behandeln. Denn schlimmer als Verachtung ist Gleichgültigkeit. Das Gefühl, nicht mehr zu existieren.
    Sie widerten mich an. Sarah eingeschlossen. Wenn ich nur sah, wie alle sie umringten, bewundernd von ihr sprachen, förmlich um ein bisschen Aufmerksamkeit von ihr bettelten, kurzum, sich benahmen wie Roboter, die von ihr ferngesteuert wurden. Ihre Naivität stieß mich ab, und für die Art, wie Sarah ihren Charme spielen ließ, hatte ich nur Verachtung übrig. »Ohne eure Blicke ist sie gar nichts mehr«, dachte ich. »Aber ihr merkt es nicht. Ihr seid zu blöd.«
    Nach und nach

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