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Dich schlafen sehen

Dich schlafen sehen

Titel: Dich schlafen sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brasme
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hatte, zog sie fast automatisch alle Blicke auf sich. Sie erzählte von ihren Sommerferien am Atlantik, wo sie einen wunderbaren Jungen kennen gelernt habe, von diesen unvergesslichen Wochen im August, in denen sie schon so viel erlebt habe. Ich wusste nichts von dem, was sie erzählte. Sie hatte es nicht für nötig gehalten, etwas von sich hören zu lassen.
    Im Unterricht konnte ich nicht anders, ich musste sie einfach ansehen. Nicht eine Sekunde ließ ich die Augen von diesem unbewegten, fast zu harten Gesicht. Ihr Blick wich meinem nicht einmal aus, er glitt vorüber, ohne mich wahrzunehmen. Ich konnte ihre Gedanken erraten. Sie wusste, was ich empfand, sie wusste, dass ich sie ansah. Alles war genau berechnet.
    Nach der Schule wartete sie, bis ich sie ansprach.
    Sie kostete ihren Sieg aus, ohne es sich auch nur eine Sekunde anmerken zu lassen. Mit jedem Wort, das mir über die Lippen kam, wurde ich befangener. Es war lächerlich, wie ich mich benahm – aber von nun an brachte sie das nicht mehr zum Lachen.
    Ich war es, die redete und Fragen stellte. Mir fiel nicht viel ein, ich wiederholte mich, stotterte vor Angst. Sie antwortete nur, von oben herab, immer noch überheblich. Kein einziges Mal ließ sie ihren Blick auf mir ruhen. Ich erkannte die Sarah von früher nicht wieder. Ihre beruhigenden Worte, ihre Blicke, all das, was mich früher meiner Existenz versichert hatte, vermisste ich schmerzlich. Es war, als hätte es das alles niemals gegeben.
    »Und, hast du schöne Ferien gehabt? Ich habe deine Karte gekriegt, ich habe mich sehr darüber gefreut, und meine Eltern auch. Wie ich höre, hast du in der Vendée einen Jungen kennen gelernt. Du hast es mir nicht geschrieben...«
    »Ach, ich bin mit ihm ausgegangen. Mehr nicht, das ist doch nichts Besonderes.«
    »Und du, hast du meine Briefe bekommen? Ich habe dir dutzende aus der Provence geschrieben.«
    »Ja, ich habe einige bekommen. Ich habe sie noch nicht aufgemacht. Ich habe im Moment nicht viel Zeit, du verstehst. Außerdem muss ich jetzt los, ich bin mit einer Freundin verabredet, wir gehen in die Stadt essen.«
    Ich sah ihr nach. Sie lief zu einem anderen Mädchen aus der Klasse, einer eingebildeten Pute, die sie letztes Jahr nicht leiden konnte. Die beiden lachten sehr laut. Sarah konnte sich als Siegerin in diesem sadistischen Spiel betrachten, dessen Regeln sie mir soeben erklärt hatte. Ihre demonstrative Verachtung traf mich wie ein Schlag ins Gesicht und tat mir mehr weh, als wenn sie mich geohrfeigt hätte.
    Ich fand keine Erklärung für ihr Verhalten, und doch war es so, als hätte ich es von Anfang an vorhergesehen. Sarah gehörte zu den Menschen, die einem immer überlegen bleiben, egal was man tut. Das hatte ich schon im Jahr zuvor festgestellt. Nur mit dem Unterschied, dass sie sich damals noch nicht darüber im Klaren war. Aber im Sommer war Sarah erwachsen geworden und hatte erkannt, dass sie zum Herrschen geboren war. Für ein Mädchen wie mich war da kein Platz, es sei denn, es ordnete sich unter.
    Wir taten so, als ob wir niemals befreundet gewesen wären. Das Spiel dauerte bis Ende Herbst. Wir sahen uns nur in der Schule, wie zwei Fremde. Es ging darum, wer länger durchhielt.
    Ich verbrachte meine Tage mit Nichtstun, hing mit irgendwelchen Leuten in irgendwelchen verrauchten Cafés herum, in denen Jugendcliquen verkehrten, die mich nicht interessierten. Ich hatte mir die Haare tiefschwarz gefärbt und trug nur noch dunkle Sachen. Ich sah nach überhaupt nichts aus. Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen. Selbst unter Menschen war ich allein. Die anderen existierten nicht mehr, wenn Sarah nicht da war. Ihre Abwesenheit demoralisierte mich, quälte mich, erdrückte mich.
    Ja, ohne Sarah war ich nichts.
    Ich beobachtete sie im Unterricht, auf dem Schulhof, vor den Toren, in der Schulkantine, mit ihren Freundinnen, wie sie lachte und redete, ohne meine Blicke zu erwidern. Sie trumpfte noch mehr auf. Ich wusste nicht mehr, was ich tat. Ich erfand irgendwelche Ausreden und schwindelte meine Eltern an, damit ich weggehen durfte. Ich ließ mich mit Jugendlichen aus der Drogenszene ein. In der Schule baute ich ab, aber das war mir egal. Sie hatte alles. Sie wurde bewundert, hatte einen tollen Freund, einen großen Freundeskreis, glänzende Noten. Sie war umschwärmt – und ich hätte die anderen am liebsten umgebracht, so wütend war ich auf sie, weil sie da waren, weil sie Sarah berühren konnten und es verstanden, ihr Interesse zu

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