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Dich schlafen sehen

Dich schlafen sehen

Titel: Dich schlafen sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brasme
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Sie verachtete ihre Großeltern, sagte, sie seien an allem schuld. Sie hätten sie niemals geliebt, weder sie noch ihre Mutter. Und wenn sie ihnen gelegentlich einen Besuch abstattete, dann nur, weil sie sich ihnen verpflichtet fühlte.
    Ich habe Sarah um jede Facette ihrer außergewöhnlichen Persönlichkeit beneidet. Aber ich war nicht neidisch auf sie: Ich bewunderte sie. Da sie mir Halt gab, mich lehrte, das Leben zu lieben, und mir sagte, dass sie mich gern habe, verspürte ich mit der Zeit dieses unstillbare Bedürfnis, das im Lauf der Jahre immer stärker wurde: das Bedürfnis, sie bei mir zu haben, um mir zu beweisen, dass ich einen festen Platz in ihrem Leben hatte. Die Vorstellung, nicht mehr ihre beste Freundin zu sein, war mir unerträglich. Ich hätte mein Leben dafür hingegeben, wenn sie mir wieder und immer wieder versichert hätte, dass ich es immer bleiben würde.
    Im August fuhren wir getrennt in die Ferien, sie mit ihrer Mutter und ihren Großeltern in die Vendée, ich mit meiner Familie in die Provence. Ich schrieb ihr, auf der Terrasse der Wohnung sitzend, fast täglich. Ich berichtete von den Tagen, an denen ich am blauen Swimmingpool lag und mich von der heißen Sonne bräunen ließ, von den langen kühlen Nächten, von meinen Spaziergängen über die Felsen und die kleinen Märkte im Dorf. Ich versuchte, kein Detail zu vergessen, und hoffte, bei meiner Rückkehr dutzende von Briefen aus der Vendée vorzufinden.
    In Wahrheit langweilte ich mich. Wenn sie fort war, hatte ich das Gefühl, nichts mehr zu sein. Meine Freunde vom vergangenen Jahr waren wieder da, aber ich hatte beschlossen, mich nicht mehr mit ihnen abzugeben. Ich fieberte dem Ende der Ferien entgegen. Irgendwo in meinem Innern erinnerte mich ein geheimes Versprechen daran, dass ich nur ihr allein gehören durfte.
    Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Aufgeregt bei dem bloßen Gedanken, dass mich Neuigkeiten von Sarah erwarteten, kehrte ich nach Hause zurück. Doch der Stapel Post, der sich in den zwei Wochen angesammelt hatte, enthielt nur eine bescheidene Postkarte:
    »Herzliche Grüße an alle aus der Vendée, wo ich eine tolle Zeit verlebe. In Erwartung, euch nach den Ferien wieder zu sehen, grüßen und küssen euch Sarah und ihre Familie.«
    Das war alles.
    Ich las die Karte mehrmals. Aber der Inhalt blieb derselbe, so kalt und verletzend wie beim ersten Mal.
    Verzweifelt schloss ich daraus, was ich im Grunde die ganze Zeit geahnt hatte, nämlich dass Sarah mich im Verlauf des Sommers vergessen hatte. Es war zu schön, auch zu zerbrechlich gewesen, um von Dauer zu sein. Mit Sicherheit hatte sie Besseres zu tun, als die Freundin eines Mädchens zu bleiben, das so unnütz, bieder und furchtbar gewöhnlich war wie ich. Ich verstand. Ich gestand mir ein, dass das Ende dieser schönen Freundschaft nahe war.

Spielen
    Ich wagte nicht, sie anzurufen, um zu fragen, wie es ihr ging. Die Vorstellung, zum Hörer zu greifen, ihre Nummer zu wählen und den Klang ihrer Stimme zu hören, machte mir Angst. Ich fürchtete mich vor ihrer Reaktion. Ich kannte sie schon zu gut und wusste, dass sie mit ihrer Autorität und Schlagfertigkeit jeden, an dem sie etwas auszusetzen hatte, vernichten konnte. Und ohne es mir einzugestehen, wusste ich im Grunde schon damals, dass früher oder später auch ich ihre Macht zu spüren bekommen würde. Warum? Das wusste ich noch nicht...
    Am ersten Schultag war ich morgens mit einer schrecklichen Angst im Bauch aufgestanden. Ich hätte mir gewünscht, diesen Tag nie erleben zu müssen. Wir warteten vor den Toren des Chopin, als sie gemessenen Schrittes auf uns zukam: Sie hielt Einzug. Ihre Augen funkelten schelmisch und ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihren Mund. Sie sah gefährlich aus. Mir fiel auf, dass sie größer und schlanker war als letztes Jahr bei Schulbeginn. Sie war kein Kind mehr. Ihr Körper war gereift. Sie hatte sich geschminkt, obwohl sie noch vor zwei Monaten behauptet hatte, sie könne das nicht ausstehen. Mit demonstrativer Gleichgültigkeit schüttelte sie ihr gefärbtes Haar. Etwas Undefinierbares ging von ihr aus. Fast so etwas wie Herablassung. Ja, sie war hochnäsig. Zum ersten Mal verspürte ich so etwas wie Furcht, als ich sie auf uns zukommen sah.
    Sie sah mich kaum an. Oder war ich es, die ihrem Blick auswich? Sie tat so, als ob nichts gewesen wäre, als ob sie nichts erschüttern konnte. Und wie im Jahr zuvor, als ich sie zum ersten Mal vor den Toren des Collège gesehen

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