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Dich schlafen sehen

Dich schlafen sehen

Titel: Dich schlafen sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brasme
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großen Verwunderung lachten die anderen nicht mit. Sie sahen mich still und betreten an, dann nahm Sarah, die sehr wohl merkte, dass meine Leidensmiene die anderen rührte, den Gesprächsfaden wieder auf, um die Sache zu überspielen, und alle vergaßen mich wieder. Sie schliefen sehr spät ein. Ich hatte mich kurz zuvor hingelegt, war aber wach geblieben. Sarahs Stimme verfolgte mich. Und als sie endlich zu Bett ging, hatte mich das Geräusch ihres Atems am Einschlafen gehindert.
    Aus dem Esszimmer schlugen mir alle möglichen Geräusche entgegen, Gelächter, Kindergeplärr, das Klappern von Löffeln in Keramikschalen und das Pfeifen des Teekessels sorgten am Tisch für eine betäubende Lärmkulisse. Der Duft von heißem Kaffee, dampfendem Kakao und frischem Brot aus der nächsten Bäckerei kitzelten, kaum dass ich aus dem Bett war, meine Sinne.
    Ich setzte mich zu den anderen und wünschte ihnen leise einen guten Morgen, was sie aber nicht hörten. Ich begann zu essen und vergrub den Blick in meiner Müslischüssel. Plötzlich sprach mich eine unbekannte Stimme an. Ich schaute auf. Es war Laetitia, eine von Sarahs Freundinnen. Sie betrachtete mich mit einem seltsam aufmunternden Blick. Sie musste sich gedulden, bis ich ihr antwortete.
    »Entschuldige... Was hast du gesagt?«
    »Ich habe gefragt, ob Sarah wirklich deine beste Freundin ist.«
    Ich blickte in die Runde: Sarah und die anderen waren schon gegangen. Ich hörte sie im Salon glucksen. Ich senkte wieder den Kopf, und dann sagte ich, ohne auch nur einmal zu stocken und so schnell, als hätte ich es auswendig gelernt: »Natürlich ist sie meine beste Freundin. Wir kennen uns seit der Fünften. Sie war immer für mich da, selbst in den schwierigsten Momenten. Wir teilen alles, unsere Geheimnisse, unsere Freuden, unsere Träume. Sarah ist ein tolles Mädchen, ich verdanke ihr viel. Ich verdanke ihr alles, um genau zu sein. Sie hat mir einige Male aus der Patsche geholfen. Ich weiß nicht, was ohne sie aus mir geworden wäre. Sie hat mir so viel gegeben. Ich würde alles für sie tun, so dankbar bin ich ihr. Ja, wir sind wie zwei Schwestern, sie und ich, wie Blutsverwandte.«
    Ich verstummte, und dann war es lange still, ehe sie etwas erwiderte. Ich wusste nicht, warum ich ihr das alles gesagt hatte. Ich blickte vor mich hin und wartete darauf, dass sie mir sagte, was ich schon wusste: »Aber du hast doch gehört, in welchem Ton sie gestern Abend mit dir gesprochen hat. Lässt du dir das gefallen?«
    »Sie ist meine beste Freundin.«
    »Und du meinst, das gibt ihr das Recht, dich so zu behandeln?«
    »Ja.«
    »Ich verstehe dich nicht. Du bist vielleicht ein komisches Mädchen.«
    Ich antwortete nicht. Ich wartete schweigend, ohne eine Regung zu zeigen.
    »Jedenfalls hätte ich das von Sarah nicht gedacht, ich muss dir sagen, wir waren alle geschockt, wie sie dich vor uns heruntergemacht hat. Das darfst du dir nicht gefallen lassen. Sie ist ein durchtriebenes Luder, verstehst du.«
    Ich zuckte mit den Achseln und ließ sie gehen. Ich blieb noch eine Zeit lang reglos sitzen und starrte in meine leere Schüssel. In diesem Augenblick überkam mich eine unbändige und hämische Freude. Allein dieser Satz –»sie ist ein durchtriebenes Luder«– erfüllte mich mit einer tiefen Genugtuung.
    Die Nacht hatte sich über den hügeligen Horizont gesenkt. Das Grau-Blau der fernen Berge hob sich nur schwach vom Blau-Schwarz des Himmels ab, sodass die Farben fast ineinander zerflossen. Es war ein Winterabend, der Letzte des Jahres.
    Das Silvesteressen dauerte schon eine gute Stunde. Und ein Ende war nicht abzusehen.
    Die Luft war verraucht, und es war laut, sehr laut. Die Stimmen vermischten sich zu einem heillosen Krach. Das Essen war zu üppig, dauerte zu lang und verursachte mir Übelkeit. Die ausgelassene Stimmung ging mir auf die Nerven. Die Musik, die Leute, ihr Gelächter, ihre Stimmen, ihre Fröhlichkeit, das alles wurde mir zu viel. Ich hielt es nicht mehr aus.
    Manchmal ließ sich jemand dazu herab, mir seine Aufmerksamkeit zu schenken, und fragte mich, ob es mir gut ginge, ob ich mich amüsierte. Ich antwortete: »Ja, danke«, und schon war ich wieder vergessen. Offenbar brauchte ich nichts, also wandten sie sich wieder Sarah zu. Sie sprach über ihre Pläne, ihre Zukunft. Zuerst wollte sie ihr Abi machen, dann an der Hochschule für Wirtschaftswissenschaften in Paris ein glänzendes Studium hinlegen. Sie sah sich schon als knallharte Geschäftsfrau, die ein

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