Dichterliebe: Roman (German Edition)
Mango«, soufflierte Graziella.
Ich hatte von Mango gehört, aber nicht gegessen, zu teuer. Ich kostete. Eine Mischung aus Mohrrübe, Pfirsich und Badesalz.
» Schmeckt es Ihnen?«
Mir war übel. In meinen Ohren saust es, wieder zittert mein Hals. Ich hatte Marita das Einverständnis zur Scheidung gegeben, kampflos, zu schnell. Vielleicht aus Trotz, vielleicht im Suff, vielleicht in einem falschen Gefühl der Stärke, weil ich nach Wien aufbrach, wo Graziella auf mich wartete, die auch nach dem mißglückten Treffen in Weimar Interesse bekundet hatte, zumindest schriftlich. Was, um Himmels willen, konnte ich hier? Was war ich?
» Kümmere dich, Graziella, der Herr Dichter ist ja kreidebleich!«
Graziella fuhr mich im Auto ins Krankenhaus und später ins Hotel. Gute, tapfere Graziella. Ein paar Tage später habe ich sie betrunken von Halle aus angerufen, daß ich sie liebe und wir zusammenziehen sollten. Ich hörte sie den Kopf schütteln. Ihre Stimme klang traurig. Sie ist dann abgesprungen. Nicht von der Doktorarbeit, sondern von mir.
*
Ein Fund! schreibt Jakob Jehlitschka . Bei Gauck habe ich gelesen, daß Du mich im Festvortrag für Grimma gewürdigt hast, obwohl der Kollege Freitag es Dir verboten hatte. Ich bin gerührt …
Keine Ursache! möchte ich antworten . Ich war betrunken. Außerdem hab ich’s für mich getan, nicht für Dich, und genützt hat es weder Dir noch mir.
Aber dann übermannt auch mich Rührung, und ich schreibe. Ich war betrunken und hab’s mehr für mich getan als für Dich, aber für mich konnte es nur gut sein, weil Du es warst. Und gut war’s, obwohl es nichts nützte, weil es zu den wenigen Dingen in meinem Leben gehört, an die ich mit Stolz … Mehr ist vielleicht im Leben nicht … Stimmt das? Und kommt’s darauf an? Soll ich ihm einen gemeinsamen Ritt gegen die Windmühlen anbieten, falls Sidonie mich erhört? Allerdings: Werde ich überhaupt noch Zeit für ihn haben, wenn ich Sidonie lieben darf? Also nur Windmühlen, falls sie mich nicht erhört? Aber kann ich dann noch leben?
TATEN
Der verstand
ist ein messer in uns,
zu schneiden der rose
durch hundert zweige
einen himmel
Reiner Kunze
Am Montag sitzt Sidonie auf meiner Terrasse, lesend. Mich trifft fast der Schlag, als ich sie durchs Fenster sehe – vor Freude, vor Liebe, vor Schreck. Beinah wäre ich ohne Fensterblick hinausgegangen, wie hätte ich mich blamiert. Es ist nicht Morgen, es ist elf. Ich eben aus dem Bett. Bis vier Uhr nachts mit guter Hand am Essay gearbeitet, danach zu aufgekratzt zum Schlafen. Jetzt ungewaschen, verstoppelt – so darf ich ihr als Galan nicht unter die Augen treten. Aber nachher ist sie vielleicht weg? Ich starre durchs Fenster, ich Verlorener, auf meine zufrieden lesende Angebetete – wie wunderbar und unheimlich, jetzt kommt’s drauf an. Auf Zehenspitzen ins Bad. Rasiert, gebraust, frisches Hemd, eine saubere Hose habe ich nicht mehr.
» Nanu, Henry, wie siehst du denn aus?«
Ich beschließe, sie für das » Nanu« zu lieben, und gehe lächelnd auf sie zu, ich kann nicht sprechen, unsere Blicke fallen ineinander. Sie legt das Buch auf den Tisch und breitet, ohne aufzustehen, ironisch – das merke ich noch in meinem Nebel – und theatralisch die Arme aus. Ich laufe unaufhaltsam in diese Arme, spüre tatsächlich ihre Hände an meinem Nacken und Hinterkopf, küsse sie auf die Wange, die Schulter, berge mein Gesicht an diesem frischen Hals, umschlinge sie, ich möchte mich durch sie durchdrücken, in ihr verschwinden, fahre ihr durchs Haar, suche ihren Mund. » Neinnein, Moment«, lacht sie atemlos und will sich befreien, aber behutsam, nicht böse, schon ihre Hände auf meiner Brust setzen mich in Flammen, ich halte sie fest, natürlich nicht mit Gewalt, ich liebe sie ja, ich will nur die kleinen kräftigen, verlegenen Hände auf meiner Brust, das reicht beinahe, um mich zu erledigen. Als ich zurücktrete, habe ich weiche Knie und muß mich auf den Tisch stützen.
Sidonie ist aufgesprungen und hat die Tischplatte zwischen sich und mich gebracht.
» Ich habe mir die Haare geschnitten«, erkläre ich.
» Du hast Krusten im Gesicht.«
» Ach das …« Ich streiche mir über die Braue, » stimmt, eine Schlägerei …«
» Eine Schlägerei? Du?«
» Ich war nur – verwickelt. Viele besoffene Dichter waren da, am Ende eines erregten hoffnungslosen Symposiums untergegangener Literatur…«
» Ach so«, sagt sie zweifelnd.
» Jemand hat dort schlecht über die Liebe
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