Dicke Hose (German Edition)
und lasse die letzte halbe Stunde Revue passieren.
Irgendetwas nagt schon die ganze Zeit an mir, und jetzt, da ich zur Ruhe komme, weiß ich auch, was es ist: Victoria ist bei Florian abgeblitzt! Ob sie deshalb so schlecht auf ihn zu sprechen ist?
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25. Kapitel
Ich glaube kaum, dass es in der Verkaufsgeschichte von Miucci jemals einen Tag mit einem derartigen Kundenansturm gegeben hat wie heute.
Als wir um Punkt zehn die Tür aufschließen, wartet bereits eine kleine Menschentraube vor der Tür. Viele kommen tatsächlich, um die italienischen Gäste bei der Arbeit zu bestaunen und sich eine Tasche mit den eigenen Initialen verzieren zu lassen. Manche sind aber auch nur auf ein kostenloses Glas Sekt aus. Und wiederum andere scheinen grundsätzlich samstags durch das Geschäft zu bummeln und stehen jetzt überrascht vor dem umgebauten Laden.
Nicht ohne Schadenfreude nehme ich zur Kenntnis, dass Victoria in ihrer neuen Rolle als Chefin Florian in den Keller abgestellt hat. Ob nun aus Rache, weil sie in der Vergangenheit bei ihm abgeblitzt ist, oder weil Flo im Keller am wenigsten Schaden anrichten kann, erschließt sich mir nicht. Fest steht nur, dass ihm seine neue Aufgabe – den unteren Verkaufsraum bewachen und die Kunden bedienen, die sich für das normale Sortiment oder für Dessous interessieren – gehörig gegen den Strich geht. Kai hat den besten Job: Er steht im Foyer und schenkt Sekt aus.
Victoria hat im hinteren Teil des Ladens die Organisation der Sonderveranstaltung übernommen. In einem engen schwarzen Kleid, das mit schwarzer Spitze abgesetzt ist, und schwindelerregend hohen Schuhen sieht sie aus wie einem französischen Spielfilm entsprungen. Ein Glück, dass ich ihr Kleid bei unserer kurzen Begegnung heute Morgen in der Küche nicht wahrgenommen habe, sonst hätte Flo mir vermutlich gleich zwei Veilchen verpassen können.
Ernesto Micolucci beschränkt sich darauf, den Kunden sektglasschwingend seine Aufwartung zu machen. Man könnte sagen, im ganzen Laden herrscht ein gut organisiertes Chaos.
«Huhu, Herr Held! Hallo!» Carmen Grünewald stürmt auf mich zu. Sie hat ihren Körper in ein A-förmiges Sechziger-Jahre-Kleid gepresst, das für meinen Geschmack einen Tick zu gelb ist. «Ich habe mich ja so gefreut auf das Event heute!», trällert sie und wirft sich mir an die Brust. «Ein Glück, dass mein Terminkalender mir heute freigegeben hat …» Glucksend wirft sie den Kopf in den Nacken und schlängelt ihren Arm um meine Hüften. «Es hat schon was für sich, wenn man sein eigener Chef ist, nicht wahr?»
«So ist es.»
«Ach, und da ist ja auch der Herr Papa. Guten Tag, Signor Micolucci! Was für eine Freude, Sie wiederzusehen.»
Florians Vater begrüßt sie formvollendet mit Handkuss. «Die Freude ist ganz meinerseits.»
«Sie können wirklich stolz auf Ihren Sohn sein», plappert die Grünewald drauflos. «Ein cleveres Bürschchen.»
Ich halte die Luft an. Was wird der Papa nun sagen? Wird er mich vor seiner Stammkundin als Hochstapler bloßstellen?
«Hach ja, die Kinder …», sagt er und legt mir ebenfalls einen Arm um. Allerdings schraubt er seine Pranke auf Schulterhöhe in mein Fleisch, sodass ich nun vollkommen bewegungsunfähig zwischen den beiden stehe. «Ich sage immer: Man kann gar nicht genug Kinder haben. Finden Sie nicht auch?» Er drückt mich ein Stück nach hinten, um die Grünewald besser anlächeln zu können.
«Na ja …», entgegnet sie ein wenig ratlos. Offenbar hat ihre Karriere keine Zeit für Kinder gelassen.
«Und wissen Sie, warum ich das sage?», fragt der Modepapst rein rhetorisch. «Weil ich dann natürlich auch viele wunderbare Frauen hätte …»
Ich weiß nicht, warum, aber ich habe das Gefühl, die Situation retten zu müssen. «Vielleicht möchte Frau Grünewald sich auch eine Tasche zum Bedrucken aussuchen?», frage ich und versuche krampfhaft, mich aus dem Klammergriff der beiden zu befreien. «Oder haben Sie das dunkelblaue Must-have dabei?»
Carmen Grünewald schüttelt den Kopf.
«Macht ja nichts», tröstet sie der väterliche Modezar, «wäre doch gelacht, wenn wir nicht ein anderes schönes Exemplar für Sie finden.» Er schwenkt uns drei in Richtung Taschenregal. Direkt in die Arme von Friedrich von Klatt.
War ja klar, dass der hier antanzt, wenn es Gratis-Sekt gibt. Mit großen Augen steht mein Chef vor einer Reihe Laptoptäschchen und quält sich ganz offensichtlich mit Entscheidungsnöten. Als sich unsere
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