Dicke Hose (German Edition)
Blicke treffen, entdecke ich außerdem noch einen verschwommenen Glimmer in seinen Augen, der auf eine Überdosis Bizzelwasser hindeutet.
«Hallo, Herr Held, Sie sehen ja heute so … schlicht aus», erklärt er überrascht. «Haben Sie die Anzugfarbe passend zu Ihrem Platz auf dem Score gewählt? Hahaha!» Er ist kurz davor, sich vor Lachen auf die Schenkel zu schlagen.
Warum müssen Verrückte eigentlich immer in Rudeln auftauchen? Reicht es denn nicht, dass ich eingekeilt zwischen einer fleischigen Stammkundin und dem wahnsinnigen Inhaber dieses Tollhauses stehe? Muss sich jetzt auch noch mein Chef in aller Öffentlichkeit die Kante geben und mich demütigen?
«Sind das Ihre Eltern?», will er jetzt von mir wissen und deutet mit dem überschwappenden Sektglas zwischen Carmen Grünewald und dem Paten hin und her.
Keine unberechtigte Frage, angesichts der intimen Umklammerung, in der ich mich noch immer befinde. Allerdings hört der Spaß für mich endgültig auf, als er hinzufügt: «Sie sind Ihrer Mutter ja wie aus dem Gesicht geschnitten!»
«Aber das ist …»
«Ernesto Micolucci», sagt der Signore und reicht Friedrich von Klatt seine freie Pranke. «Ich bin der Inhaber dieses Ladens. Und dies ist Carmen, meine Muse …»
«Hoho», macht Friedrich von Klatt. «Na, das ist ja schade.»
Sechs Augenpaare starren ihn fragend an. Er genießt seinen Auftritt und vollendet dann den Satz: «Na, schade, dass wir uns jetzt erst kennenlernen. Wo Ihr Sohn hier und ich uns bald trennen werden.»
«Sie wollen sich von Herrn Held trennen ?», fragt Carmen Grünewald besorgt, und etwas in ihrer Stimme lässt mich vermuten, dass sie die Sachlage falsch einschätzt. «Also, das verstehe ich nicht. Einerseits kämpfen die Schwulen doch immer mit wehenden Fahnen für die Homo-Ehe und für gesellschaftliche Anerkennung, und auf der anderen Seite sind sie schrecklich promiskuitiv und wechseln die Partner wie die Täubchen.»
Ich sehe, wie meinem Chef der Unterkiefer herunterklappt. Entweder hat er es nicht so mit Fremdwörtern, oder aber ihre Andeutung hat ihn mundtot gemacht. Doch wie sich herausstellt, nur vorübergehend.
«Ach, Sie sind schwul?», fragt er und sieht mich dabei an, als würde das meinen letzten Platz auf dem Score erklären. «Also, gedacht habe ich mir das schon irgendwie. Sie hatten ja immer diese Frauenprobleme.»
«Huppala», gluckst Carmen Grünewald überdreht und sucht den Blick ihres Modeschöpfers. «Ich hoffe sehr, ich habe da nichts Falsches über Ihren Sohn gesagt, Herr Micolucci. Aber nachdem es auch schon in der Zeitung stand …»
Ich zähle innerlich bis zehn, um nicht laut loszubrüllen.
«Sie haben sich in der Zeitung geoutet?» Friedrich von Klatt fallen fast die Augen aus dem Kopf. «Donnerwetter, Herr Held! Wollten Sie deshalb die Woche Urlaub?»
Ich würde mal sagen: Die Lage ist verzwickt. Der väterliche Mafioso neben mir beginnt nun ebenfalls seine Finger in meine Schulter zu graben. Warum, ist mir allerdings schleierhaft. Auf einen Schwulen mehr oder weniger unter diesem Dach kommt es ja nun wirklich nicht mehr an.
Carmen Grünewald sagt gar nichts. Stattdessen beobachtet sie interessiert, wie Friedrich von Klatt versucht, das Thema zu wechseln. «Na ja», plappert er munter weiter, «dann sollte ich mich in Zukunft vielleicht doch lieber persönlich um den Verkauf der Wohnung in der Hafencity kümmern.»
«Aber ich …»
Carmen Grünewald, die es offenbar für vollkommen normal hält, dass man sich in der Schwulenszene siezt, fällt mir ins Wort: «Sind Sie etwa Makler?» Mit einer Mischung aus Ekel und Panik starrt sie meinen Chef an.
Plötzlich habe ich ein Déjà-vu. Ich spüre, wie sich ihre Hand in meine Hüfte krallt. Dabei sind meine blauen Flecken vom Mittwoch noch immer auf dem Unterarm zu sehen.
«Jawohl, das bin ich!» Die schmächtige Brust meines Chefs schwillt an vor Stolz. «Wenn ich mich vorstellen darf: Friedrich von Klatt, Inhaber von Hambitare Immobilien. Sicher haben Sie schon von meiner Firma gehört.» Es fehlt nicht mehr viel, und er hätte die Hacken zusammengeschlagen.
«Und ob ich das habe!» Carmen Grünewald schnaubt ihm die Worte entgegen. Ohne meine Hüfte loszulassen, dreht sie mich so, dass sie mir direkt in die Augen sehen kann. Da der Pate mich nach wie vor festhält wie einen Eierdieb, wird mein linker Arm schmerzhaft verdreht. Ich unterdrücke ein Stöhnen.
«Hatte ich Ihnen nicht gesagt», keift die Grünewald, und ihre
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