Dicke Hose (German Edition)
wäre: die Möhre unter dem geplanten Laminatboden zu begraben oder sie zerstückelt im Specksteinofen zu pulverisieren.
Nach und nach dämmert mir, warum das Objekt bislang nicht verkauft wurde. Wenn sich die Eigentümer querstellen, hat man keine Chance.
«Nun», sage ich streng, «daran soll sich natürlich auch nichts ändern, es sei denn …» Ich werfe den Schümanns einen vielsagenden Blick zu. «… man bietet Ihnen eine angemessene Summe, nicht wahr?»
Noch so eine Preistreiberin, vermutlich ist sie auf Schwarzgeld aus. Aber die Schümanns dürfte das nicht verschrecken. Wer neben einer Million für den Kaufpreis noch Geld für Scheußlichkeiten von Obi hat, der verfügt mit Sicherheit über ein gutgefülltes Konto auf den Kaimaninseln. Typisch Neureiche: keinen Geschmack, aber Kohle bis zum Abwinken.
«Nein.» Die Möhre schüttelt den Kopf.
«Äh … wie – nein?»
«Nein, nein», sagt sie.
Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Ich meine, Friedrich von Klatt hätte mich ja auch gerne mal vorwarnen können, dass man es hier mit einer Geisteskranken zu tun bekommt.
«Gute Frau, nu mal Butter bei die Fische», mischt sich Norbert Schümann ein. «Wie wäre es mit fünfhundert Euro extra? Bar. Cash auf die Kralle.» Zum Beweis seiner Bonität fischt er jetzt zehn Euro aus seiner Hosentasche.
Okay, ich erhöhe auf zwei Geisteskranke. Fünfhundert Euro Bestechungsgeld in kleinen gebrauchten Scheinen – hinter welchem Mond lebt der Kerl?
«Junger Mann», wendet sich die Eigentümerin jetzt an mich, ohne den knittrigen Euroschein auch nur eines Blickes zu würdigen. Als sie das Stück lachsfarbene Hose unter meinem Mantel erblickt, scheint sie kurzfristig irritiert. Dann huscht der Anflug eines Lächelns über ihr Gesicht. Sekunden später hat sie sich wieder unter Kontrolle.
«Was ist denn daran so schwer zu begreifen? Ich und mein Mann, wir wohnen hier.»
«Ja, den Teil habe ich verstanden», erwidere ich, inzwischen leicht genervt. «Ich dachte allerdings, Sie wollen das Haus verkaufen?»
«Richtig. Genauso ist es.»
Nun ja. Festgefahren, würde ich sagen.
«Wir wollen das Haus verkaufen …» Sie schaut mich mit großen Augen an. «Aber nur mit uns darin.»
Ah, na, wer sagt es denn? Jetzt kommen wir der Sache doch langsam näher. «Das bedeutet dann vermutlich», ich blicke mich noch einmal gewissenhaft um, «dass Sie in den oberen Stockwerken wohnen bleiben möchten, und das Erdgeschoss ist für den neuen Eigentümer gedacht?»
Die Möhre rollt mit den Augen. «Natürlich nicht. Mein Mann und ich brauchen nicht so viel Platz. Wir wohnen ganz oben. Um fit zu bleiben, Sie verstehen? Die beiden unteren Stockwerke kann der neue Eigentümer nutzen.»
«Verstehe», sage ich und fühle, wie sich unter meinem Mantel die Hitze staut. Ich knicke das Exposé einmal in der Mitte, um mir damit Luft zuzufächern. Dann wende ich mich zu den Schümanns. «Diese Konstellation käme doch sicher auch für Sie in Frage, oder?»
Norbert Schümann, der vermutlich gerade beschlossen hat, die gesparten fünfhundert Euro in einen Auftragskiller zu investieren, wirkt erstaunlich gelassen. Vielleicht sieht er in dieser Konstellation auch nur eine weitere Möglichkeit, den Preis zu drücken.
«Nun, diese Entscheidung können wir natürlich erst treffen, wenn wir das obere Stockwerk gesehen haben», sagt er. «Nicht dass in den oberen Räumen auch noch so viel zu renovieren ist.»
Ursula Schümann hat andere Bedenken: «Aber wo werden Sie denn dann kochen?», will sie von der Möhre wissen. «Doch wohl nicht in unserer neuen Küche Ankara ?»
Die Möhre winkt ab. «Darüber machen Sie sich am besten keine Sorgen. Ich verkaufe nämlich nicht.»
Womit wir wieder am Anfang dieser hirnrissigen Unterhaltung stünden.
«Aber … Sie haben doch einen Makler eingeschaltet», versuche ich es noch einmal auf die langsame Tour. «Und der bin ich. Alexander Held.» Ich lege eine Hand auf meine Brust und verbeuge mich leicht. «Ich komme wegen des Verkaufs. Und das hier», ich deute auf die Schümanns, die sich gerade anschicken, die Treppe ins obere Stockwerk hochzumarschieren, «sind die Kaufinteressenten. Wo liegt denn nun genau das Problem?»
«Es gibt kein Problem.»
Plötzlich tritt ein älterer Mann durch die Haustür. Er ist klein, von drahtiger Statur, trägt einen grünen Overall und hat ein kugelrundes, braungebranntes Gesicht. «Hallo, guten Tag», sagt er fröhlich. «Ich bin Bruno Lembke, der Mann
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