Dicke Hose (German Edition)
und wurde mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Statt Dielen finden sich hier Bodenfliesen in gedeckten Farben. Vom Stil ähneln sie denen im Garten, doch während sich die Steine draußen unauffällig der Natur anpassen, hat jemand hier drinnen ein geschmackvolles Muster gelegt.
Hut ab, denke ich. Wer das gemacht hat, versteht sein Fach.
Bei den Küchenmöbeln scheint es sich um echte Antiquitäten zu handeln. Der große Esstisch und die zwei ausladenden Buffetschränke würden garantiert jeden Shabby-Schick-Ladenbesitzer vor Neid erblassen lassen. Auch ich wäre froh über eine solche Küche.
Frau Schümann offensichtlich nicht.
«Ach herrje, das sind ja noch ganz alte Kacheln», stöhnt sie und verzieht angewidert das Gesicht. «Die abzuschlagen macht im ganzen Haus furchtbaren Dreck.»
«Na ja, wenn der alte Kram erst mal raus ist», macht Herr Schümann in Preisdrückermanier weiter, «holen wir uns bei Obi die grün furnierte Fertigküche Ankara . Dann wird es hier ganz schnell wohnlich, Schatz.»
Die Augen seiner Frau beginnen zu leuchten. «Ach Nobbi – wirklich? Die Küche mit den Kassettentüren, die dir eigentlich zu teuer war?» Sie schlägt ergriffen die Hände vors Gesicht.
Nobbi nickt gönnerhaft. «Wir sparen ja in Zukunft das Geld für den Gärtner und das Kärchern.»
Ist das zu fassen? Wo gibt es denn so viel geballte Spießigkeit? Vermutlich im Taubenzüchterverein.
Oder bei Obi.
«Tja, die Details können Sie dann ja später ganz nach Ihrem … äh … Geschmack gestalten. Heute sollten Sie sich erst einmal für oder gegen dieses Haus entscheiden.»
Am besten dafür, sonst drehe ich nämlich durch. Puh, was für schreckliche Leute, denen würde ich als Eigentümer ja nicht mal die Einfahrt verkaufen!
«Ich bin mir allerdings sicher», fahre ich geschäftsmäßig fort, «dass man bei diesem Objekt nicht lange überlegen muss. Es ist ein Sahnestück, nicht zuletzt wegen der 1-a-Lage und des guten Kaufpreises.»
Statt einer Antwort gibt Norbert Schümann ein weiteres Grunzen von sich. «Logisch», sagt er, als hätte ich etwas angemerkt, das zum Grundwissen eines Abc-Schützen gehört, «Lage und Grundfläche müssen stimmen. Was sonst nicht passt, wird passend gemacht. Hahaha!»
«Ganz genau.» Ich werfe einen kurzen Blick ins Exposé und fahre dann mit meinen Ausführungen fort. «Wie Sie gesehen haben, befinden sich hier im Erdgeschoss neben der Küche noch drei weitere Zimmer. Sie sind nicht besonders groß, aber es gibt ja noch die beiden oberen Etagen.»
«Wissen Sie, Herr Held», sagt Norbert Klugscheißer jetzt und versucht sich in einem spitzbübischen Gesichtsausdruck. «Ich überlege, ob es nicht billiger wäre, das Haus komplett abreißen zu lassen und auf das Grundstück ’ne neue Hütte zu stellen. Was meinst du dazu, Ulla?» Ohne seine Frau anzusehen, fachsimpelt er weiter: «Fertighaus mit Laminat und Panorama-Speckstein-Ofen Pluto von Obi. Heutzutage ist ja alles möglich.»
«Ist es nicht!»
Eine Stimme aus dem Nichts lässt uns zusammenzucken.
Auf einer der oberen Treppenstufen hat sich eine schätzungsweise sechzigjährige Frau mit orangefarbenem Haar und rötlichem Häkelkleid aufgebaut. Mit energischen Schritten marschiert sie zu uns runter. Unten angekommen stemmt sie die Arme in die Hüften und sagt entrüstet: «Hier wird überhaupt nichts abgerissen. Nicht, solange ich lebe!»
So wie sie dasteht, komplett in Orange, erinnert sie mich an eine Möhre. Genauer gesagt an eine sprechende Möhre im Stricksack. Ob sie das Outfit wohl bei Miucci gekauft hat? Ich beschließe, besser nicht nachzufragen, um die Stimmung nicht noch mehr aufzuheizen.
«Guten Tag, mein Name ist Alexander Held, von Hambitare Immobilien», versuche ich stattdessen die Form zu wahren und die Lage zu entschärfen. «Und Sie sind sicher Frau …?»
Fragend blicke ich die Möhre an. Sie hat warme braune Augen, ein gepflegtes Gesicht und eine lustige Stupsnase. Eigentlich ganz sympathisch, wäre da nicht ihre in Falten gelegte Stirn.
«Aha.» Geflissentlich ignoriert sie meine ausgestreckte Hand.
«Sind Sie Frau … äh …» Hastig durchforste ich das Exposé.
«Die Eigentümerin», entgegnet sie und kneift die Augen zusammen, um mich kritisch zu mustern. «Ich wohne hier. Und zwar noch mindestens vierzig Jahre.»
Frau Schümann nickt, als sei das eine realistische Einschätzung bei einer Sechzigjährigen. Ihr Mann dagegen sieht aus, als überschlage er im Geiste, was billiger
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