Dicke Hose (German Edition)
meinem Handy. Wir müssen reden. Dringend. Ich will ihr sagen, dass es mir leidtut, so indiskret gewesen zu sein. Und dass ich nicht anders konnte, als das Kleid zu zerschneiden. Und dass ich sie –
Huch! Mit Verwunderung sehe ich auf meinem Display, dass Tanja viermal vergeblich versucht hat, mich zu erreichen. Bei Wohnungsbesichtigungen stelle ich Klingelton und Vibration grundsätzlich aus.
Gerade, als ich es wieder einschalte, fängt das Telefon auch schon an zu klingeln. Es ist Flo. Hoffentlich mit der guten Nachricht von seiner Blitzgenesung. Dann wäre er womöglich bereits auf dem Heimweg nach Hamburg und könnte das Weihnachtsevent zum Abschluss bringen.
«Sag mal, Alex, tickst du noch ganz richtig, dich als mein Bruder fotografieren zu lassen?», schreit Flo mich an, kaum dass ich das Gespräch angenommen habe. «Ich sehe gerade zufällig im Internet die Society-Seite der GALA. Da bist du ganz groß abgebildet. Zusammen mit einer Tussi in einem Flohmarktfummel.» Er holt kurz Luft. «Mein Vater macht mir die Hölle heiß, wenn er das erfährt!»
Hatte Flo einen Rückfall? Das Chaos ist ja wohl nun wirklich nicht meine Schuld! Wer bitte schön wollte denn, dass ich für ihn einspringe? Was hat Florian überhaupt auf der GALA-Seite verloren? Ist die Langeweile in der Klinik inzwischen so groß, dass er sich Hochglanzmagazine im Internet beguckt?
«Ich kann das erklären», sage ich schlapp. Er soll bloß aufhören, mich so anzuschreien, sonst lande ich bald auf dem gleichen Krankenhausflur wie er.
Aber Flo scheint sich noch längst nicht abreagiert zu haben. « Mir musst du das nicht erklären. Mir könntest du stattdessen lieber sagen, wie ich die Sache meinem Vater beibringen soll! Der denkt doch, dass ich meine Mitarbeiter nicht im Griff habe.»
Ja, das fürchte ich auch. Aber weitaus schlimmer wäre es, wenn Ernesto Micolucci die Schlussfolgerung ziehen würde, dass Victoria in Florians Abwesenheit offenbar die Kontrolle über den Laden verloren hat. Das darf auf keinen Fall passieren.
«Sag ihm doch, dass es sich um einen Druckfehler handelt und dass du bereits veranlasst hast, den Fotografen zur Rechenschaft zu ziehen.» Meine Güte, so langsam entwickele ich mich zum Lügenbaron. Wenigstens muss ich diese Schwindelei nicht direkt bei Herrn Micolucci vortragen.
Statt einer Antwort höre ich plötzlich jemanden zu Florian sagen: «Wer von Ihnen bekommt den Kaiserschmarrn?» Danach klappert Geschirr, und es raschelt gewaltig.
«Ist Kaiserschmarrn in deinem Zustand nicht ungesund? Zu viel Zucker und –»
«Mann, Alex. Ich esse nur etwas. Ich rauche keinen Joint. Außerdem …» Er macht eine Pause und scheint sich kurz einen Bissen zu genehmigen. «… außerdem liege ich in einer Privatklinik. Die würden mir hier vermutlich sogar ein Straußenei braten, wenn mir danach wäre.»
Angeber!
«Wo genau bist du eigentlich?»
«Bodengrmpf.»
Er hat schon wieder den Mund voll. «Wie heißt die Klinik überhaupt?», hake ich nach. Irgendwas stimmt da doch nicht.
Schmatzgeräusche. Dann: «Was soll denn die Fragerei, Alex?»
«Sag mir einfach, wie die Klinik heißt, dann lege ich sofort auf.»
Am anderen Ende wird plötzlich geflüstert. Schließlich meldet sich Flo: «Na, Klinik am Bodensee natürlich. Sonst noch Fragen?»
«Und wie heißt dein Arzt?»
«Mann, Alex, also … Das ist doch albern!»
Wieder Flüstern.
«Professor Mang heißt er.»
Wenn er Dr. Brinkmann gesagt hätte, wäre ich sofort ausgerastet.
«Bist du jetzt zufrieden?», fragt Flo genervt. «Also, ich melde mich, wenn mein Vater die Ausrede mit der Presse geschluckt hat. Oder wenn es etwas Neues gibt.» Er legt auf.
Bevor ich ihn weiter verdächtige, fahre ich an den Straßenrand und gebe auf meinem iPhone bei Google Bodenseeklinik ein. 38000 Treffer! Sogar Professor Mang wird in einem der Ergebnistreffer kurz erwähnt.
Gerade will ich mir die Klinik genauer ansehen, da klingelt schon wieder das Telefon. Dieses Mal ist es Miucci. Genau genommen habe ich einen hysterischen Kai am Ohr.
«Alex, wo bleibst du denn? Hier brennt die Hütte. Es waren schon dreißig Kundinnen da, die eines dieser Miucci-Missoni-Kleider wollten. Etwa genauso viele haben telefonisch nachgefragt.»
Es ist ein stiller Triumph.
«Vic hängt die ganze Zeit am Telefon und versucht, bei Missoni jemanden für diese Idee zu begeistern», fährt er hektisch fort. «Sie ist fix und fertig. Verständlicherweise. Ich meine …» Er macht eine
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