Dicke Moepse
Gesichter. Wenn sie vor uns stehen, uns mit ihren immer hungrigen Augen angucken und sich dabei über das Schnäuzchen lecken, können wir einfach nicht widerstehen«, jammert Ingrid weiter. Wie auf Kommando leckt Kate sich über die Schnauze und guckt Frauchen bettelnd an.
»Frau Büchsenschütz, ich muss Sie wirklich bitten!«, sage ich empört, werde aber mitten im Satz unterbrochen.
»Worum musst du Frau Büchsenschütz bitten?« Andreas hat sich unbemerkt zu uns gesellt und möchte nun aufgeklärt werden, also hole ich kurz Luft. Immerhin geht es um unsere erste Unterhaltung seit dem Tag X.
»Lieber Andreas«, beginne ich mit süßlichem Unterton. »Wie du siehst, leiden diese beiden Hunde unter akuter Fettleibigkeit, und wenn unsere lieben Besucherinnen nicht bald einen Diätkursus für ihre beiden Rollmöpse buchen, dann werden die Hunde sterben, und Familie Büchsenschütz ist nur noch zu zweit.«
Eigentlich wollte ich gar nicht so direkt werden, aber Andreas’ Anwesenheit hat es mit mir durchgehen lassen, was ich just in dieser Sekunde bereue, denn ich blicke nun nicht nur in vier traurige Mopsaugen, sondern auch noch in die Augen der unglücklichen Schwestern. Die Unterlippe von Ingrid beginnt bedrohlich zu zittern, während Pamela so sehr nach Luft japst, dass ihre Barthärchen vibrieren.
»Wie kannst du es wagen, so mit unseren Stammkundinnen zu sprechen?«, poltert Andreas los, bevor auch nur eine der Schwestern ihre Sprache wiederfinden kann.
»Aber ich meine es doch nur gut!«, entgegne ich trotzig.
»Sie hat recht, sie meint es wirklich nur gut!«, springt mir Ingrid bei. »Immerhin geht es hier um das Leben unserer Kinder! Wir müssten wirklich strenger sein, aber wir schaffen es einfach nicht! Wie können wir Kekse essen und unsere Hunde dabei zusehen lassen!«, bekräftigt Pamela.
Ich grinse Andreas selbstsicher an und verschränke meine Arme vor der Brust. Mal sehen, was er nun hervorbringt.
»Dennoch kann ich eine derartige Kritik nicht gutheißen. Wie wäre es mit einem konstruktiven Vorschlag? Du bist doch hier die Tierärztin.« Bei dem Wort Tierärztin rollt Andreas demonstrativ mit den Augen. Offenbar nimmt er meine Kompetenzen auf diesem Gebiet nicht richtig ernst.
»Mach doch ein Abspeckprogramm für die beiden«, fährt er fort. »Geh mit den Tieren Gassi. DAS wäre konstruktiv und eigentlich auch selbstverständlich. Schließlich wollen wir doch, dass sich unsere Besucher bei uns wohlfühlen.«
»Du meine Güte, Kindchen!«, quietscht es aus Pamela da auch schon heraus. »Das ist ja nun wirklich ein großartiger Vorschlag. Würden Sie das für uns machen, Frau Rosi?« Sie nennt mich immer Frau Rosi, wenn ihr etwas besonders gefällt. Dann greift sie beherzt nach meiner Hand, um zu verhindern, dass ich nein sage. Ich werfe Andreas einen giftigen Blick zu, der jetzt wiederum seine Arme verschränkt und sich ein Grinsen nicht verkneifen kann.
»Na gut, ich mach’s. Aber Sie müssen mir versprechen, auch die Bereitschaft aufzubringen, den Möpsen Schokolade und auch noch das winzigste Pastetchen vorzuenthalten!«, sage ich mit resoluter Stimme und blicke dabei direkt in die drolligen Glubschaugen meiner beiden neuen Zöglinge. Wie auf Kommando fangen die beiden an zu kläffen und wedeln mit den Schwänzchen, sofern man bei den kleinen Kringeln überhaupt von Wedeln sprechen kann. Immerhin signalisieren sie damit, dass sie noch leben. Das ist schon etwas, wenn man bedenkt, dass sie mit Sicherheit seit fahren liebevoll zu Tode gemästet wurden.
»Herrlich! Dann sind wir im Geschäft!« Ingrid klatscht begeistert in die Hände und hakt sich bei mir unter. »Dann können wir ja beruhigt unsere Führung starten, nicht wahr?«
»Das ziehe ich dann aber von meinen Arbeitsstunden ab, dass das klar ist!«, zische ich Andreas im Vorbeigehen noch zu, bevor ich meine kleine Reise- und Weight-Watchers-Gruppe in Richtung Reptilienhaus schleuse. Danach geht es zu den Orang-Utans und später noch zu unserer schwangeren Giraffenfamilie. Nach zwei Stunden ist die private Führung beendet, und ich mache mit den beiden Damen einen Termin aus, bei dem wir die Operation »Dicke Möpse auf Diät« besprechen wollen. Meine Füße tun weh, langes Laufen in Schuhen, die nicht mit »Turn–« anfangen, bin ich einfach nicht gewohnt. Ich sollte mir Einlagen von meinem Orthopäden verschreiben lassen. Melanie hat so was auch. Allerdings stopft sie sich ihre immer in die High Heels, wenn sie an Bord ihrer
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