Dicke Moepse
Boeing den Leuten Kaffee servieren muss. Beim besten Willen, das kann doch nicht gesund sein!
Carla hat heute Abend ihren monatlichen Stammtisch, den feuchten Traum jedes männlichen Erdbewohners jenseits der vierzig: Durchtrainierte Frauen in Uniformen, verbal und körperlich schlagfertig, also eine Art feministischer Treffpunkt für Mädels in adretter Kleidung. Und auch meine andere uniformierte Mitbewohnerin schwebt heute wieder zwischen London, Paris und Mailand hin und her.
Also habe ich mir eine Tüte Chips besorgt und stelle mich auf einen gemütlichen Abend vor der Flimmerkiste ein. Als ich jedoch die Tür aufschließe, schallt mir ein freundliches »Hallo!« entgegen: Carla und Mel sitzen am Küchentisch.
»Und? Wie war dein Tag?«, fragt Carla gut gelaunt.
»Ganz nett. Ich arbeite jetzt auch als Hundesitter. Außerdem geht mir Andreas tierisch auf den Keks«, fange ich an. Ich ziehe die Schuhe aus und setze mich zu den Mädels.
»Wieso seid ihr eigentlich schon hier? Solltest du nicht irgendwo über Europa herumschwirren?«
»Ja, aber nicht heute Abend, sondern erst morgen früh: Meine Güte, wann lernst du das endlich!« Mel verdreht die Augen, als müsste sie mir zum zwanzigsten Mal das Einmaleins beibringen. Als ob es meine Pflicht wäre, ihren Dienstplan auswendig zu kennen!
»Hallo? Das geht auch in ’nem anderen Ton«, fauche ich deshalb gereizt zurück. »Oder weißt du, welches Tier ich morgen zuerst füttern muss?«
»Mädels! Ganz ruhig! Wenn ihr hört, wieso mein Stammtisch frühzeitig geendet hat, wüsstet ihr, was wirkliche Probleme sind.« Harmonie-Göttin Carla richtet sich auf ihrem Küchenstuhl auf und verdreht ihre braunen Rehaugen.
»Ihr wisst ja, dass Männer und Kinder bei unserem Stammtisch tabu sind, aber keiner hat bisher die Regel auf Hunde ausgeweitet. Das war bisher ja auch nie ein Problem. Die Bezirksvorsitzende Reiter hat jedoch heute ihren Pudel mitgebracht, der nicht nur extrem grau und lockig ist und Topmöller heißt, sondern auch noch unter Inkontinenz leidet. Das Viech hat alle halbe Stunde unter den Tisch gepieselt!«
»Aber wieso ist sie denn nicht mal mit ihm vor die Tür?«, frage ich voller Entsetzen.
»Sie scheint es völlig normal zu finden, dass der Pudel überallhin strullt. Es wäre wahrscheinlich auch keinem aufgefallen, wenn ich mich nicht auf die Suche nach meinem Lippenstift begeben hätte. In meiner Handtasche, versteht sich. Und die stand natürlich unterm Tisch.« Carla schlägt vor lauter Gram die Hände vors Gesicht.
»Meine Lieblingstasche!«
»Die rote?«, frage ich mitfühlend, und Carla nickt betroffen.
»Und dann?« Mel scheint noch nicht ganz zu verstehen, obwohl Handtaschen eigentlich in ihr Fachgebiet fallen.
»Der Hund hat Carlas rote Lacklederhandtasche zum Klo umfunktioniert und sie ruiniert«, antworte ich an Carlas Stelle, denn die hat gerade vor lauter Frust ihren Kopf in den Händen vergraben.
»Irgendwie läuft gerade alles schief. Wir verdienen zu wenig Geld, die Männer sind alle nicht zu gebrauchen, und jetzt tanzen uns auch noch die Köter auf der Nase herum!« Mel schüttelt das blonde Köpfchen und holt eine Flasche Wodka aus dem Gefrierfach.
»Da hilft nur noch Alkohol in rauen Mengen!«, ruft sie und gießt unsere Wassergläser bis obenhin voll.
»Du meinst, in therapeutischen Dosen!«, verbessere ich sie schnell. Schließlich möchte ich nicht als Alkoholikerin enden. Ich trinke nur, wenn es wirklich nötig ist. Quasi aus medizinischen Gründen.
Eine halbe Stunde und eine Dreiviertelflasche später breitet sich eine wohlige Wärme in meinem Körper aus. Mel und Carla kichern im wunderbar sanften Schein der Kerzen vor sich hin.
»Mir reicht’s!« Carla stellt ihr Glas mit einer solchen Wucht auf den Tisch, dass Mel vor Schreck fast vom Stuhl fällt. Dann springt sie blitzschnell auf und verlässt wie hypnotisiert die Küche.
»Was ’n los?«, fragt Mel ängstlich und schon ein bisschen betrunken.
»Keine Ahnung!«, sage ich mit schwerer Zunge und versuche, schnelle Bewegungen zu vermeiden. Lieber nehme ich noch einen Schluck von dem klaren Gesöff, das den Kopf so herrlich vernebeln kann. Ich gieße Mels und Carlas Glas fürsorglich ebenfalls voll und stelle die nun leere Flasche neben die Spüle.
Dann kommt Carla zurück. Sie hat sich in ihren dunkelblauen Trenchcoat gehüllt und trägt eine Holzkiste unterm Arm. Wir hatten darin bisher immer unsere alten Zeitschriften aufbewahrt, Altpapier kann man
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