Dicke Moepse
schließlich immer brauchen, zum Beispiel, wenn man etwas einwickeln möchte.
»Wir nehmn unsre Zukunft jetz selber inie Hand!«, lallt Carla uns entschlossen entgegen.
»Okee, da bin ich grundsätzlich deiner Meinung, aber wieso brauchsu dafür ’ne Kiste?«, frage ich etwas verwirrt, was eventuell am Wodka liegen könnte, eventuell aber auch an Carla.
Die beginnt, nachdem sie die Kiste auf dem Boden abgestellt hat, so wild in der Küche herumzuwirbeln, dass mir ganz schwindlig wird. Sie legt eine dicke rosafarbene Kerze, Streichhölzer und eine Teepackung in eine Tasche.
»Was ’n los? Worauf wartet ihr noch? Wir gehn jetzt innen Wald. Rosi, du besorgst uns noch ’ne Taschenlampe.«
»Wart ma, Carla. Bevor du uns hier herumscheuchst. Was hast du vor?« Mel und ich starren unsere Mitbewohnerin mit einem derartig riesigen Fragezeichen im Gesicht an, dass die nicht anders kann, als erst einmal laut loszuprusten. Dann setzt sie sich erneut zu uns an den Tisch.
»Mädels, ihr schaut mich an, als wolle ich im Wald ein Verbrechen begehen.« Sie hat ein Stückchen Alufolie abgerissen und knibbelt es zwischen ihren Fingern hin und her.
»Entschuldige bitte, Liebes, aber genau so siehst du auch aus! Also bitte, Carla, was soll das Ganze?«, frage ich sie erneut.
»Meine Großmutter Donatella, Gott hab die Gute selig, war in ihrer Jugend auch lange Zeit davon überzeugt, dass sie niemals heiraten würde. Eines Tages traf sie in ihrem Heimatdorf auf eine Frau, die sie dort noch nie gesehen hatte. Für euch ist das nichts Ungewöhnliches, doch Donatella kannte jeden im Dorf. Diese Frau war neu dort und ging direkt auf meine Großmutter zu. Sie sprach: ›Ich sehe, dass du unglücklich bist, deshalb möchte ich dir helfen. Gehe in den Wald und suche nach drei Tannenbäumen, die im spitzen Winkel zueinander stehen. Dort musst du eine Kiste vergraben. Am besten eine aus Holz. Lege ein Kleidungsstück, ein Symbol deines alten Ichs, und etwas, was für dein neues Leben stehen soll, hinein. Dann zünde diese rosafarbene Kerze an und verstreue getrocknete Blütenblätter in alle Himmelsrichtungen. Du wirst sehen, bald wird sich dein Leben zum Guten verändern!‹ – Na ja, wenige Wochen später lernte Oma ihren Mann, meinen Großvater Luigi, kennen, und sie liebten sich bis ans Ende ihres Lebens.«
Carla strahlt uns von einem Ohr zum anderen an und nickt erwartungsvoll. Mel findet zuerst ihre Sprache wieder.
»Soll das jetzt heißen, wir gehen in den Wald und vergraben unseren Sperrmüll?«
»Nicht Sperrmüll, irgendwas Altes, Gebrauchtes, Unterwäsche zum Beispiel …«
»Ach ja, und wenn uns irgendein Perverser folgt und sich an unseren Schlüpfern vergeht?« Entsetzt nimmt Mel einen ordentlichen Schluck Wodka, um den Schreck hinunterzuspülen.
»Ach was, wer soll uns denn verfolgen?«, entgegne ich schnell. Mir gefällt die Idee vom Liebeszauber um Mitternacht. »Ich bin dabei!«
»Sehr schön! Und du, Mel? Kommst du mit oder bleibst du hier?« Carla wühlt in unserem Küchenschrank und kramt eine Tüte Potpourri hervor. Irgendein Geschenk von einer Party aus vergangenen Tagen. Begeistert packt sie die getrockneten Duftblätter in die Kiste.
»Na gut, ich komme mit. Aber nur, weil ich nichts Besseres vorhabe. Ausnahmsweise!«,
»Aber überleg doch mal, vielleicht hilft der Zauber dir auch, deine beruflichen Pläne zu realisieren!«
»Natürlich, Carla. Ich werde die linke Bremsklappe vergraben, und schwups! habe ich meinen Pilotenschein in der Tasche.«
»Jede sucht sich jetzt etwas Altes und etwas Neues, und wir treffen uns in fünf Minuten abflugbereit vor der Haustür. Bis gleich«, sage ich resolut.
Manchmal muss eine Frau eben tun, was eine Frau tun muss. Zwar bin ich auch etwas skeptisch, was diesen italienischen Großmutterzauber angeht, aber schließlich darf man nichts unversucht lassen, wenn es um die große Liebe geht. Sonst wird das nie was mit der rosaroten Zukunft.
Und ich bin so was von bereit dafür! Ich kann richtig spüren, dass der Richtige da draußen irgendwo auf mich wartet. Warum also nicht mit etwas Magie nachhelfen? Ich wühle mich durch meinen Kleiderschrank und werde schnell fündig. Mein hellblauer Blümchen-BH, der erste, den ich mir als Neu-Single vor viereinhalb Jahren zugelegt hatte. Mittlerweile trage ich ihn nicht mehr, er ist total verwaschen und verbogen. Aber er symbolisiert für mich mein Alleinsein perfekt, denn er ist nur praktisch und nicht besonders dekorativ.
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