Dicke Moepse
Rest des Potpourris vom Boden auf, schnappt sich die Kerze und stapft von dannen.
»Carla, warte auf uns!«, rufe ich und beeile mich, ihr zu folgen. Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich froh über den jähen Abbruch.
Zu Hause angekommen, weicht das beklemmende Gefühl in meiner Brust langsam. Carla begibt sich sofort in die Küche und setzt Wasser auf. Verschwörerisch gibt sie ein paar Kräuter aus einem abgegriffenen braunen Leinensäckchen dazu. »Muskatblüten, Zimtstangen, etwas Kardamom und ein Kraut, das sich meine Großmutter immer aus Südamerika zuschicken ließ. Mittlerweile kann man es aber auch hier bekommen. Es heißt Damiana-Kraut und soll die aphrodisische Wirkung des Zaubers nochmal verstärken.« Carla nimmt uns erneut bei der Hand, während der Tee auf dem Herd vor sich hin sprudelt. »Eines habe ich noch vergessen: Ihr dürft natürlich bis zur Erfüllung eures Wunsches mit niemandem über die Geschichte sprechen, sonst verliert der Zauber seine Macht!« Carla gibt noch etwas Honig in das Gebräu, das seinen betörenden Duft in unserer Küche verströmt.
»Worauf du dich verlassen kannst, Carla.« Melanie lacht laut auf. »So was Peinliches verrate ich doch sonst niemandem. Die denken doch sonst, ich bin völlig plemplem.«
»Alles klar, Carla. Das bleibt unser Geheimnis.« Ich zwinkere Carla verschwörerisch zu. Vorsichtig nippe ich an meinem Tee. Immerhin schmeckt er lecker und wärmt meine erfrorenen Hände wieder auf. So ganz sicher bin ich mir noch nicht, ob ich das Ganze komplett bescheuert finden soll oder lieber feste daran glaube. Glaube versetzt Berge, sagt man. Aber ob mir dadurch die Liebe meines Lebens über den Weg läuft – das werde ich hoffentlich bald herausfinden.
Am nächsten Abend bin ich mit meinem besten Freund Jens verabredet. Seine Schwester feiert demnächst ihren Geburtstag ganz groß, und wir wollen noch besprechen, was wir ihr schenken. Also haben wir es uns mit einer Flasche Rotwein auf der Couch im Wohnzimmer seines Penthouse bequem gemacht. Jens berät Firmen in Finanzdingen. Das scheint ziemlich gut zu laufen, denn die Wohnung ist sein Eigentum, direkt am Potsdamer Platz mit Blick auf das wirtschaftliche Geschehen der Stadt. Die Vorderfront seines Wohnzimmers ist komplett verglast, und seine Küchengeräte sprechen zu ihm, wenn er sie anschaltet. Meine elektrische Zahnbürste zeigt mir immerhin einen Smiley, wenn ich die zwei Minuten Putzzeit erreicht habe, aber damit hört es auch schon auf. Dafür haben wir schönen Stuck an unseren Decken.
Jens hingegen fährt noch dazu einen tollen Schlitten und hat immer ausreichend Kohle, um sich schicke Klamotten zu leisten. Dennoch ist er auf dem Teppich geblieben. Überhaupt ist Jens die beste Erfahrung, die ich aus der Uni mitgenommen habe.
Er ist, trotz seiner Heterosexualität, der perfekte Freund und Ratgeber, was Männerprobleme angeht. Probleme mit Männern, nicht Probleme von Männern, versteht sich. Die meisten Kerle haben nämlich sowieso keine Probleme, außer: Kann ich nun drei oder vier Liter Bier in einer halben Stunde austrinken, ohne danach gleich aufs Klo zu rennen? Jens ist da ganz anders.
»Ich bin aus allen Wolken gefallen, als Andreas plötzlich vor mir stand. So was erlebt man doch sonst nur im Kino!«, erzähle ich Jens nun schon zum vierten Mal in Folge, in der Hoffnung, dass sich das unangenehme Gefühl, je öfter ich es ausspreche, irgendwann einmal verziehen möge. Der Vorfall ist immerhin schon vierzehn Nächte her, dennoch verfolgt er mich gnadenlos: Kein Wunder, der Übeltäter tut es tagsüber ja auch.
»Rosi, das hast du wirklich nicht verdient. Meinst du denn, das renkt sich wieder ein? Vielleicht habt ihr beide ja eine Chance und werdet ein Paar!« Jens legt freundschaftlich seinen Arm um mich und drückt mich an seine Schulter.
»Ich? Und Andreas? Nie im Leben! Obwohl ich nicht ausschließen kann, dass er das vielleicht insgeheim hofft. Du weißt ja, was sich liebt, das neckt sich. Und er lässt wirklich keine Gelegenheit aus, mir immer wieder unter die Nase zu reiben, was für eine Nulpe ich doch bin!«, schnaube ich. Um ehrlich zu sein, ich übertreibe ein wenig. In der ersten Woche hat er mich komplett ignoriert, und letzte Woche haben wir bis auf heute Morgen mit den Büchsenschützerinnen insgesamt vielleicht fünf Worte miteinander gesprochen. Es ging um Logistik. Um genau zu sein, fragte er mich: »Darf ich mal vorbei?«, und ich sagte: »Ja.« Und das war es auch
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