Dicke Moepse
Dauerflirterinnen wie Mel kann unsereiner noch etwas lernen, dachte ich also bei mir und zog mit Mel um die Häuser.
»Da ist uns schon zu Beginn ein Typ aufgefallen, der ganz alleine an der Bar saß. Dunkelblonde Haare, strahlende Augen, sportliche Statur: Kurz, nach langer Zeit mal wieder jemand, den ich richtig niedlich fand. Von weitem zumindest.«
»Ja, und dann? Habt ihr ihn angequatscht?« Carla stoppt ihre Tasse kurz vorm Mund und vergisst vor lauter Spannung, einen Schluck zu nehmen. Sie guckt, als sei ich eine fleischgewordene Seifenoper. Ich koste den Spannungsmoment kurz aus und fahre dann fort.
»Wir sitzen also an unserem Tisch und trinken Zombies, da schießt Melanie plötzlich wie von der Tarantel gestochen nach oben und verabschiedet sich. Sie hatte ganz vergessen, dass sie den frühen Charterflug nach Gran Canaria aufgedrückt bekommen hatte. Ich hatte mir aber gerade noch einen Cocktail bestellt und wollte noch nicht nach Hause. Melanie schlug mir vor, ich könne mich doch zu dem Typen an die Bar setzen. Das war ein Scherz, Melanie weiß ja, dass ich keine Typen anquatsche, auch nicht mit Zombies im Bauch.«
Mein Schädel fängt bei dem Wort »Zombie« wieder an zu dröhnen, als ob eine Elefantenherde hindurchmarschiert.
»Jetzt sag bloß? Du hast doch nicht etwa …? Du hast dich getraut, den Typen anzuquatschen!!!?« Carla und ich vertreten im Gegensatz zu Melanie den strikten Glauben an die wahre Liebe und nicht an das schnelle Vergnügen. Immerhin wollen wir beide mal Kinder, und die brauchen eine solide harmonische Basis und keinen Vaterschaftstest bei Olli Geissen. Leider ist Carla mit ihrer Strategie genauso erfolglos wie ich. Sie klammert, lässt keinerlei Freiheiten und ist zu eifersüchtig, heißt es von der gegnerischen Seite. Es ist doch zum Heulen, aber die beste Methode, einen Kerl an sich zu binden, ist immer noch ein Tritt in seinen Allerwertesten. Auf Dauer ist mir das allerdings zu anstrengend.
»Du bist einfach nicht der Typ Frau, die sich die Kerle nimmt, wie sie kommen.«
Automatisch muss ich nicken, Carla hat recht, trotzdem sollten wir zugeben, dass der Erfolg unserer Strategie bisher leider ausgeblieben ist. Gestern Nacht habe ich deshalb meinen Kopf-Diktator ausgetrickst. Nach dem dritten Zombie war er ausgeknockt, und ich verwandelte mich in eine Flirtbiene.
»Ich bin einfach hin und hab ein Gespräch angefangen«, sage ich und versuche, das ganz selbstverständlich klingen zu lassen. Was es natürlich nicht war. Um ehrlich zu sein, hatte ich eher Glück im Unglück. Ich hatte zwar tatsächlich vor, mein »Opfer« anzusprechen. Ich wollte mein Leben selbst in die Hand nehmen. Schluss mit der ewigen Passivität! Also stürzte ich den Rest meines Drinks auf Ex hinunter, um mir Mut anzutrinken. Doch leider bekam ich davon einen so fürchterlichen Schluckauf, dass ich mich erst einmal wieder hinsetzen musste. Eine gute Idee, schließlich hatte ich noch immer keinen Schlachtplan.
Ich bestellte noch einen Cocktail, um etwas in der Hand zu halten, dachte an zehn Glatzköpfe, um den Schluckauf loszuwerden, und steuerte dann so zielsicher, wie es mit geschätzten 1,6 Promille eben geht, in Richtung Traummann. Ich war knapp hinter ihm und fixierte gerade seinen extrem niedlichen Haaransatz im Nacken, als er sich plötzlich mit Schwung umdrehte. Vor lauter Schreck goss ich mir den kompletten Inhalt meines Glases übers Kleid. Da stand ich nun, klitschnass und mit einer Cocktailkirsche garniert. In meinem Ausschnitt steckte ein grün-gelbes Papierschirmchen. Nach der ersten Schrecksekunde bekam ich einen minutenlangen Lachanfall, in den er mit einstimmte. Etwa eine Stunde später zeigte mir Andreas die Aussicht auf seine Zimmerdecke.
»Meine Güte, was für eine Nacht. Unglaublich! Sensationell! Mir vibrieren immer noch die Schenkel. Es war einfach nur großartig. Nicht wie die letzten Male mit Ralph, der nachher immer über die Zukunft diskutieren wollte. Carla, ich kann dir sagen: Ich fühle mich, als hätte ich nach monatelanger Diät einen kompletten Karton Vollmilch-Nuss-Schokolade verschlungen. Das Problem ist nur, je mehr Zeit vergeht, desto schlechter fühle ich mich.«
»Siehst du. Das kommt davon, wenn man sich gleich vom Nächstbesten flachlegen lässt. Wolltest du dich nicht eigentlich mal wieder verlieben? Du weißt doch, wie Männer sind. Wenn du ihnen gleich gibst, was sie wollen …« Carla macht eine eindeutige Geste, denn sie ist eigentlich nicht
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