Dicke Moepse
wenn man etwas für sein Äußeres getan hat«, sagt Carla, wenn sie mich mal wieder zu einer Quarkmaske überreden will. Wahrscheinlich hat sie recht, und die oft strapazierten »inneren Werte« werden immer falsch verstanden. Denn eigentlich geht es dabei um die Selbstwahrnehmung: Fühle ich mich gut, dann empfindet mein Umfeld dasselbe.
Noch am selben Abend mache ich einen Termin bei meinem Friseur aus und lasse mir einen neuen Haarschnitt verpassen. Ein bisschen kürzer und stufiger mit ein paar hellblonden Highlights. »Man muss sich nicht gleich von einem Mann trennen, um seinen Style zu ändern. Kleine äußerliche Veränderungen können eine enorme Wirkung haben«, sagt meine Mutter prompt, als ich ihr meinen neuen Look präsentiere.
»Stell dir vor, Mutti, vorhin hat mir sogar jemand hinterhergepfiffen!«, erzähle ich aufgeregt und schüttle meine frischgeföhnte Mähne.
»Kind, wir sehen uns viel zu selten. Ich weiß gar nicht mehr, was du machst«, sagt sie vorwurfsvoll. Mama wollte immer nur das Beste für mich. Es hat ihr damals das Herz gebrochen, dass ich mein Studium abbrechen musste. Aber es hätte finanziell einfach nicht mehr hingehauen. »Bist du denn überhaupt glücklich in diesem Zoo?«
»Aber ja, das bin ich! Du sagst doch immer, man muss zufrieden sein mit dem, was man hat!«, versuche ich sie zu beruhigen. Natürlich wünsche ich mir immer noch eine eigene Tierarztpraxis, aber ich werde den Teufel tun und ihr das auch noch unter die Nase reiben. Mutti wäre imstande, zwei Doppelschichten zusätzlich am Tag anzunehmen, damit sie mir diesen Traum erfüllen könnte.
»Weißt du, mein Liebling, ich mache mir einfach Sorgen, dass du irgendwann einmal so endest wie ich. Ich wollte auch immer Medizin studieren und eine berühmte Ärztin werden, aber es hat bei mir eben auch nur zur Krankenschwester gereicht.«
»Zur besten, die es gibt!«, werfe ich ein und hoffe, dass sie nicht gleich wieder das Thema auf mein Beziehungsdilemma lenkt. Aber natürlich bleibe ich nicht davon verschont.
»Wahrscheinlich habe ich dir einfach die falschen Ideale vorgelebt. Du hast schließlich nie ein richtiges klassisches Familienbild mitbekommen.«
»Was hättest du denn auch anderes tun können? Schließlich hat dich mein Vater einfach sitzenlassen. Dafür weiß ich von dir, dass wir Frauen auch unseren Mann stehen und alles alleine schaffen können!«, erwidere ich stolz.
»Ach, ich hätte mir sehr oft Unterstützung von deinem Vater gewünscht. Und wenn es nur manchmal eine starke Schulter zum Anlehnen gewesen wäre. Oder jemanden, der die Verantwortung mit mir teilt. Oder auch nur die Freude, die ich oft an dir hatte.« Mutti seufzt und lehnt sich in ihrem Sessel zurück. Sie sieht müde aus, abgearbeitet. Ich würde ihr so gerne ein angenehmeres Leben ermöglichen! Oder wenigstens mal einen Urlaub. Aber bei meinem mageren Gehalt kann ich ihr einfach nichts zurückgeben. Vielleicht bin ich in letzter Zeit wirklich etwas zu phlegmatisch geworden. Mutti hat schließlich immer für mich gekämpft. Wir waren ein absolutes Dreamteam, Mama und ich, und sie hat nie etwas für sich gefordert. Sich nie beklagt, dass sie meinetwegen auf so vieles verzichten musste.
»Sag mal, Mama, darf ich dich noch etwas zu Vater fragen?« Seit meinem Gespräch mit Andreas brennt mir dieses Thema wirklich auf der Seele.
»Was willst du denn wissen?«
»Lebt mein Vater noch in Berlin?«, frage ich vorsichtig.
»Nein, mein Schatz, soweit ich weiß, ist er mittlerweile irgendwo in England tätig«, antwortet meine Mutter.
»Und du bist dir ganz sicher? Ich meine, ich denke, könnte es vielleicht sein, dass Dr. Nachtnebel mein Vater ist?«, platzt es aus mir heraus.
»Dr. Nachtnebel, euer Zoo-Doc? Ach, Kindchen, den kenne ich doch. Wie kommst du denn darauf? Nein, das ist nicht dein Vater. Wieso beschäftigt dich denn das Thema so?«
»Um ehrlich zu sein, vielleicht war es einfach nur die Hoffnung, ihn doch noch einmal kennenzulernen.« Eine ziemlich egoistische Hoffnung. Ich hoffe, dass ich meine Mutter damit nicht zu sehr verletzt habe. Im Nachhinein betrachtet, war das jetzt ziemlich dumm und naiv von mir.
»Nicht, dass du denkst, mir würde etwas fehlen, Ma!«, beeile ich mich zu sagen. Ich nehme meine kleine Mutter in den Arm und drücke sie fest an mich.
»Wenn ich dich nicht hätte!«, seufze ich. Wir werden jäh vom Klingeln meines Handys unterbrochen. Unbekannter Teilnehmer, komisch.
»Ja, hallo?«, melde
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