Dicke Moepse
ich mich neugierig.
»Hallo, Rosi. Bitte entschuldige die Störung. René ist am Apparat.« Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer.
»Hallo, René«, antworte ich und bemühe mich, ruhig zu bleiben. Ich nicke meiner Mutter kurz zu und gehe mit meinem Telefon in den Flur. Alles muss sie ja nun auch nicht mitbekommen.
»Was gibt es denn?«, frage ich und hoffe, dass es sich um etwas Privates handelt.
»Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich heute Mittag so kurz angebunden war. Aber ich hatte es wirklich eilig. Und da dachte ich mir, also, ich wollte dich fragen …« Er scheint auch etwas nervös zu sein.
»Also, ich hab auf dem Dienstplan gesehen, dass du morgen Abend frei hast, und essen müssen wir ja alle mal … jedenfalls: Hast du Lust, morgen mit mir etwas essen zu gehen?«
Meine Güte, druckst der rum. Beruhigend, dass Männer auch nicht immer souverän sind, wenn es ums andere Geschlecht geht.
»Ja, sehr gerne«, sage ich ohne Umschweife und beiße mir im selben Moment auf die Zunge. Jetzt denkt er garantiert, dass ich sonst nichts zu tun habe. Aber egal. So ist es ja auch.
»Ja, dann … sagen wir, so gegen acht Uhr? Ich hole dich zu Hause ab!«
Ein wahrer Gentleman.
»Ja, sehr gerne«, seufze ich in den Hörer.
»Ja, dann …«
»Ja?«
»Bis morgen.«
»Ja, bis morgen.«
»Wir sehen uns ja sicher vorher noch im Zoo.«
»Ja, natürlich.«
»Also.«
»Bis dann.«
»Ich freu mich.«
»Ich mich auch.«
»Dann leg ich jetzt mal auf.«
»Mh.«
»Bis dann.«
»Ja, tschüss!«
Ich drücke auf die Taste mit dem roten Hörer auf meinem Handy und atme noch einmal tief durch, bevor ich wieder zu meiner Mutter ins Wohnzimmer gehe.
»Wer war das denn? Du grinst ja von einem Ohr zum anderen! Ein Verehrer?«
Manchmal sind Mütter zu neugierig, deshalb flunkere ich.
»Ach, das war nur ein Kollege, der etwas Organisatorisches wissen wollte.« Ich habe einfach keine Lust, mir durch zu viel Gerede etwas von meiner Stimmung kaputt machen zu lassen. Den Fehler habe ich früher schon allzu oft gemacht. Mit René soll alles anders werden. Diesmal mache ich alles richtig. Ich werde offensiver, emotionaler und weiblicher sein. Ich werde mich einfach auf die Geschichte einlassen, schließlich kann ich nur so herausfinden, ob er der Richtige ist.
Den ganzen nächsten Tag habe ich gute Laune, und dabei klopft mein Herz bis zum Hals. Bei jedem kleinsten Knarren oder Rascheln erwarte ich, dass René seinen Kopf zur Tür hereinsteckt. Doch die Stunden vergehen ohne auch nur das kleinste versteckte Zeichen. Nicht einmal eine SMS schickt er mir. Geht er mir aus dem Weg? Vielleicht will er aber auch nur kein großes Aufsehen erregen, womit er natürlich recht hat. Auf das Getratsche hinter den Kulissen habe ich auch keine Lust, zumal Andreas früher oder später auch davon Wind kriegen würde. Trotz unserer Aussprache. Stefan meinte sogar einmal, dass er gehört habe, Andreas hätte erzählt, ich sei leicht zu haben.
Jetzt habe ich aber erst einmal Dienstschluss, und so hinterhältige Weicheier wie Stefan oder Andreas können mir getrost den Buckel herunterrutschen. Ich gehe heute Abend nämlich mit einem echten Kerl aus! So sehr habe ich die Vorbereitungen zu einer Verabredung schon lange nicht mehr genossen. Dank der schmerzhaften Heißwachsprozedur von neulich bleiben mir grob gerechnet dreißig Minuten mehr Zeit, die ich für Haare und Make-up verwenden kann. Ich trage ein schwarzes Jersey-Kleid, das ich neulich erst im Schlussverkauf erstanden habe. Es sitzt perfekt und betont meine Vorzüge phantastisch.
»Wow, du siehst richtig toll aus!« Mel und Carla stehen im Türrahmen des Badezimmers und schauen mich bewundernd an.
»Hier«, sagt Mel und streckt mir eine lange Kette mit silbernen Glitzersteinen entgegen. »Die leihe ich dir. Das peppt das Ganze noch ein bisschen auf!«
»Danke!« Mit so viel Unterstützung ihrerseits hätte ich gar nicht gerechnet, immerhin habe ich ihr ja das Date mit Andreas untersagt. Aber sie hat es mir offenbar nicht übelgenommen. Überhaupt scheint sie sich in letzter Zeit emotional wieder gefangen zu haben. Sie ist viel hilfsbereiter und richtig nett geworden. Vielleicht hatte sie einfach nur eine schlechte Phase. Es ist ja auch nicht meine Sache, mit wem sie so alles in die Kiste steigt. Es ist Melanies Leben, und weder Carla noch ich sind für sie verantwortlich, noch haben wir das Recht, über sie zu urteilen.
René klingelt pünktlich um acht Uhr an
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