Dicke Moepse
die Augen.
»Das ist ja niedlich. Was sagst du dazu?« Sie hält sich das Shirt vor die nach vorn gedrückte Brust und tänzelt verführerisch hin und her.
»Steht dir sicher gut. Vor allem kommt die Hälfte der Einnahmen dem Naturschutzbund zugute«, sage ich trocken.
»Darf ich mich vorstellen, wenn es Ihre Freundin schon vergisst? Andreas Tannenbach, ich bin hier der Direktor.«
»Wahnsinn, ehrlich? Das ist ja cool. Rosi hat sogar schon von Ihnen erzählt«, säuselt Mel und beeilt sich, ein aufreizendes Wimpernklimpern hinterherzuschicken.
»Ich hoffe doch, nur Gutes. Und für dich bitte Andreas, wenn ich bitten darf, wir sind hier alle per du.« Wenn wir uns nicht gerade erst versöhnt hätten, würde ich ihm einen fiesen Spruch entgegenschleudern. Aber ich verkneife mir den Kommentar und lausche dem Geplänkel der beiden.
»Stimmt, das hat sie auch erzählt. Ich bin Melanie.«
Klasse. Jetzt funkt es zwischen diesen beiden Herrschaften auch noch. Offenbar haben sich neuerdings alle um mich herum ganz doll lieb und drehen mir den Rücken zu. Für Mel und Andreas bin ich schon Galaxien entfernt. Sie tauschen sogar vor meiner Nase Telefonnummern aus! Lächerlich! Als Andreas den Laden verlässt, stelle ich Mel zur Rede.
»Sag mal, spinnst du? Du kannst doch nicht meinen Chef anbaggern!«, platzt es aus mir heraus.
»Wieso denn nicht? Der ist doch süß!«, antwortet Mel mit einem Unschuldsblick, der jede Nonne das Fürchten lehren würde.
»Weil ich mit ihm gevögelt habe, darum!« Ich drehe mich vorsichtshalber um, um sicherzugehen, dass uns niemand zuhört.
»Die Betonung liegt auf ›habe‹«, entgegnet Melanie kühl.
»Stimmt. Und ich bin froh, dass sich das Thema erledigt hat. Aber ich möchte ihn nicht bei mir am Frühstückstisch begrüßen.«
Das versteht Mel offenbar, denn sie zieht den Zettel mit der Telefonnummer von Andreas wieder aus ihrer Handtasche.
»Na gut. Dann treffe ich mich eben nicht mit ihm. Ist eh nicht mein Typ«, sagt sie und zerreißt das Zettelchen in unzählige kleine Stückchen. Das rechne ich ihr wirklich hoch an.
»Und was machen wir jetzt?«
Ich blicke auf die Uhr und sehe, dass unsere Mittagspause in wenigen Minuten beginnt, also dränge ich Melanie zum Aufbruch.
»Nun, das Spannendste hast du schon gesehen, meinen Chef inklusive, ich muss jetzt echt weitermachen.« Ein bisschen tut sie mir schon leid, als ich sie in einem Affenzahn Richtung Ausgang bugsiere, aber was sein muss, muss nun mal sein. Es ist gerade noch rechtzeitig. Denn kaum ist Mel um die Ecke gebogen, kommt mir auch schon René entgegen.
Motiviert durch den Verlauf des heutigen Tages, fasse ich allen Mut zusammen und lege los.
»Hi René. Na? Wie sieht es aus? Hast du Lust, was essen zu gehen?«, frage ich und bemühe mich dabei, das Zittern in meiner Stimme und das Pochen im Magen zu kaschieren. Ich lehne mich gegen die Wand und spiele mit einer Haarsträhne. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass das erotisierend auf Männer wirkt.
»Tut mir leid, Rosi. Heute geht es nicht. Ich bin schon verabredet mit einem Kunden. Den darf ich leider nicht warten lassen, obwohl du mir natürlich tausendmal lieber wärst«, entgegnet er.
Na toll, Rosi. Das hast du ja super hingekriegt. Er steht einfach nicht auf dich! Und jetzt fühlst du dich wie der letzte Dorftrampel nach einer Schlammdusche. Ich hebe kurz meine Hand zum Abschied und schleiche etwas bedröppelt in Richtung Verwaltung. Der Hunger ist mir vergangen. Außerdem muss noch jede Menge Fisch geschnippelt werden fürs Aquarium. Wie konnte ich nur denken, dass so ein toller Typ wie René auch nur den Hauch eines Interesses an mir haben könnte! Ist mir das peinlich! Wahrscheinlich denkt er jetzt sogar, ich sei so etwas wie ein weiblicher Discostöberer. Die quatschen ja auch ein Mädel nach dem anderen an, in der Hoffnung, dass eines vielleicht doch Erbarmen hat. Vielleicht sollte ich doch mal wieder zum Friseur. Melanie sieht immer toll aus, deshalb hat sie wahrscheinlich auch keine Schwierigkeiten, jemanden kennenzulernen. Die Frau ist doch keine zwei Stunden allein auf dieser Welt. Immer scharwenzelt ein gutaussehender Kerl um sie herum! Ach, manchmal vermisse ich Single-Carla, mit der man so herrlich über das Alleinsein jammern konnte. Immerhin findet sie auch, dass man ruhig mal etwas für sich tun kann. »Es geht gar nicht darum, dass du nicht hübsch genug bist, aber ich finde, man strahlt gleich etwas anderes aus und wirkt viel positiver,
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