Die 10. Symphonie
dieser Frau, dieser Spanierin ...« »Beatriz de Casas.«
»Immer, wenn du sie erwähnst, strahlst du. Es ist nur ein kurzes Aufblitzen, denn du setzt jedes Mal gleich wieder dein verschlossenes, mürrisches Gesicht auf, aber ich habe es bemerkt und wollte es auf dem Bild festhalten. Ich glaube, du bist in diesem Augenblick deines Lebens so glücklich, wie ein Mann es nur sein kann, der das erleidet, was du zu erleiden hast.«
Beethoven l ächelte, als er die Worte seines Freundes auf dem Schreibblock las.
Der ber ühmte Porträtist nahm einen ganz feinen Pinsel und malte in die Hand im Vordergrund ein kleines Blatt mit Notenlinien. Dahinein zeichnete er sorgfältig die Noten, aus denen sich der Namen Beba de Casas ergibt. »Ich wusste gar nicht, dass du Ahnung von Notenverschlüsselung hast«, sagte der Maestro erstaunt. »Du hast mir beigebracht, Namen in Notenform zu schreiben, als ich dich mit der Missa solemnis in der Hand abgebildet habe, erinnerst du dich nicht? « Doch Beethoven versuchte nicht einmal, ihn zu verstehen, sondern hob das Bild von der Staffelei und eilte damit zu seiner tief verehrten Beatriz.
51
Daniel Paniagua berichtete Inspector Mateos seine Theorie über Beatriz de Casas am Telefon, doch Dona Susana wollte er sie persönlich erzählen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Richterin an diesem Morgen in ihrem Büro war, machte er sich auf den Weg. Da er noch einen Augenblick warten musste, nutzte er die Zeit, um sich ausführlich in dem Büro umzusehen, wo die elf Angestellten arbeiteten, die die Richterin bei den Ermittlungen in den verschiedenen Prozessen unterstützten. Die meisten von ihnen waren Frauen mittleren Alters, die versuchten, ihren Unmut wegen des Rauchverbots in öffentlichen Gebäuden mit Humor zu verbrämen. »Gib mir noch einen Zug«, sagte eine Dicke zu ihrer Kollegin rechts neben ihr. »Sonst spring ich aus dem Fenster.«
Die Angesprochene kam der Bitte nach und atmete mit Genuss einen Mundvoll unsichtbaren Rauch aus. Die Knappheit der Geldmittel in der spanischen Justiz im Allgemeinen und an diesem Gericht im Besonderen machte sich durch den Mangel an Aktenschr änken bemerkbar - die verschiedenen Papiere und Aktenstöße stapelten sich auf den Tischen und Stühlen der Angestellten -, und man sah es auch am erbarmungswürdigen Zustand der Computer. Einige von ihnen hatten noch Schwarzweißmonito re, deren Rahmen teilweise mehrfach mit schwarzem Isolierband umwickelt waren, damit sie nicht vor Altersschw äche auseinanderfielen.
Als Daniel sich gerade die Zeit damit vertreiben wollte, Speicherplatz in seinem Handy zu schaffen, öffnete sich die Bürotür, und zwei Männer in Trenchcoats kamen heraus. Daniel hatte schon Typen gesehen, die mehr nach Polizei aussahen als diese beiden.
Dona Susana hingegen war seelenruhig auf dem Weg ins Bad. Als sie Daniel erblickte, sagte sie: »Geh schon mal rein und setz dich. Bin gleich wieder da.«
Als er das B üro betrat, sah er, dass er nicht alleine war: Der Gerichtsmediziner saß auf einem Stuhl und erhob sich nun, um ihm herzlich die Hand zu schütteln. Dann aber verstrich die Zeit, ohne dass Pontones den Mund aufmachte, also übernahm Daniel es, das angespannte Schweigen zu brechen und Konversation zu treiben. »Ich wollte schon immer mal wissen, wie die Fälle an die Gerichte kommen. Ist jeder Richter auf ein bestimmtes Delikt oder einen bestimmten Typus von Kriminellen spezialisiert?«
»Nein«, antwortete der Gerichtsmediziner. »Die Fälle werden durch ein strenges Losverfahren auf die Gerichte verteilt. Sonst könnte theoretisch ein Verbrecher um einen bestimmten Richter bitten , oder umgekehrt - mit wenig wünschenswerten Folgen für die Rechtsprechung, wie du dir vorstellen kannst.«
»Das heißt, ihr habt den Fall Thomas rein zufällig bekommen?«
»Ja, so war es. Der Zufall wollte, dass Susana und ich an dem Tag, als man Thomas ermordete, Bereitschaftsdienst hatten. An dem Gericht, das Bereitschaftsdienst hat, bleibt der Fall dann sozusagen h ängen.« »Und findet ihr es spannend, dass ihr ihn habt?« »Ja und nein. Der Fall ist, wie du ja weißt, sehr komplex. Vom kriminalistischen Standpunkt aus ist dieses Ermittlungsverfahren zugegebenermaßen äußerst anregend, und sei es nur, weil es sich von den übrigen 90 Prozent unterscheidet, mit denen wir es sonst zu tun haben: Drogen, Drogen und nochmals Drogen.«
Nach dieser Erl äuterung verfielen sie wieder in ein unbehagliches Schweigen, das diesmal
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