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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Worten lag nichts Aggressives oder Drohendes. Sie klangen eher väterlich. »Und weshalb soll ich mich Ihrer Tochter nicht nähern?« Don Leandro blickte sich um, ob niemand ihn hörte, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Bevor Francois reagieren konnte, wurden sie von dem Jungen unterbrochen, der den großen Sandplatz der überdachten Reitbahn in Schuss hielt. Die Halle mit den wunderbaren Verzierungen des Barockarchitekten Joseph Emanuel Fischer von Erlach aus der Zeit zwischen 1729 und 1735 war zunächst für die Reitstunden der Adeligen reserviert gewesen. Nun fanden dort dreimal wöchentlich vor einem ausgewählten Wiener Publikum und Gästen aus aller Welt, die eigens dazu anreisten, die grandiosen Pferdevorführungen statt. »Entschuldigen Sie, Don Leandro«, sagte der Bursche. »Da ist ein Herr an der Tür, der nach Ihnen fragt. Es ist dieser verrückte Musiker, Ludwig van Beethoven.« Als hätte er den Namen des Komponisten erkannt und wüsste auch über dessen Ruhm Bescheid, wieherte Incitato II ungeduldig. Und das Gesicht des Arztes hellte sich auf.
    »Beethoven hier in der Schule? Hat er gesagt, was er will?« »Nein, Herr de Casas. Ich weiß nur, dass er in Begleitung eines Jungen gekommen ist.«
    »Gut, lass sie sofort herein.«
    Robichon wollte das interessante vorangehende Thema noch vertiefen, aber der Veterin är verabschiedete ihn mit an Unversch ämtheit grenzender Eile.
    »Und Beatriz ...«
    »Später, später, Francois. Und denk daran: kein Wasser und kein Futter f ür Incitato, bis ich es dir erlaube.«
    Mit diesen Worten verlie ßen Bursche, Reiter und Arzt die Stallungen der Schule.
    »Was genau haben Sie mit dem Pferd vor, Herr van Beethoven, und wo ist es zurzeit untergebracht?«, fragte Don Leandro, als der Musiker und das Kind es sich in seinem Büro bequem gemacht hatten.
    Der k ürzlich verwitwete Veterinär war der einzige Angestellte der Hofreitschule, der, auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers, in einem Flügel der Hofburg wohnte. Falls ein Pferd erkranken sollte, konnte es auf diese Weise sofort medizinisch versorgt werden.
    Lipizzaner waren au ßergewöhnliche Kreaturen, deren besondere Dressur Jahre in Anspruch nahm, und die liebevolle Fürsorge, die sie erhielten, hätten die meisten Einwohner der Stadt selbst gerne genossen. Die Räumlichkeiten des Veterinärs umfassten fünf Zimmer: zwei Schlafzimmer, eins für ihn und eins für seine einzige Tochter, die dreiundzwanzig Jahre alt war und am Wiener Konservatorium Komposition studierte, eine Küche, ein Zimmer für das Gesinde und das Studierzimmer, in dem Don Leandro Beethoven und seinen jungen Begleiter empfangen hatte.
    Der kleine Gerhard zog das Konversationsheft des Komponisten aus der Tasche und reichte es Don Leandro.
    »Sie müssen hier hineinschreiben, was Sie Herrn Beethoven sagen wollen, er ist nämlich stocktaub«, erklärte er, stolz auf sein Wissen.
    Beethoven las die Frage in dem Heft und teilte seinem Gespr ächspartner mit, dass sich das Pferd noch auf dem Gut seines Freundes von Breuning befand, ungefähr vierzig Kilometer von Wien entfernt, und dass er erschwingliche Unterkunft und Pflege in erreichbarer Nähe suchte. »Aber ich will nicht, dass das Tier gequält wird«, stellte der Musiker klar. »Schon weil der kleine Gerhard das nicht zulassen würde.«
    »Beabsichtigen Sie, das Pferd häufig zu nutzen?«, fragte der Veterinär schriftlich.
    »Verzeihen Sie den billigen Scherz, aber ich bin kein junger Hengst mehr«, antwortete der Musiker mit einem melancholischen Lächeln.
    Don Leandro h örte sich mit unerschütterlicher Miene Beethovens Klagelitanei über seine schwache Gesundheit an und schrieb dann in das Heft: »Haben Sie schon einmal von Hippotherapie gehört?« Beethoven schüttelte den Kopf.
    Der Veterin är erklärte, dass die Hippotherapie eine neuartige Behandlungsmethode sei, die darauf basiere, dass die Bewegungen des Pferdes zur Stimulierung der Muskeln und Gelenke des Patienten genutzt würden. »Meine Probleme, Herr Doktor, betreffen aber den Unterleib«, merkte der Komponist an. »Schon, aber Sie haben gerade gesagt, dass Sie wegen Ihres schlechten Gesundheitszustands oft nicht in der rechten seelischen Verfassung sind, zu komponieren.« »Das ist wohl wahr. Es gibt Tage, an denen bin ich buchstäblich so niedergeschlagen, dass meine Kraft nicht ein mal dazu reicht, dem kleinen Gerhard Unterricht in Harmonielehre zu geben. «
    Der war aufgestanden und schn üffelte ganz ohne Scheu, wie es

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