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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Und da Beethoven sich von Symphonie zu Symphonie selbst übertraf, könnte die Zehnte noch größere musikalische Schätze bergen als ihre kleine Schwester.« »Gibt es denn irgendeinen Hinweis darauf, wo die sich befindet? Ich meine nur ... Mein Schwager ist Taxifahrer, und er würde Sie sicher dort hinfahren.« »Man weiß nicht einmal, ob sie überhaupt existiert.« Der Mann vom Imbissstand wirkte nachdenklich, beinahe besorgt. Offensichtlich lag ihm eine Frage auf dem Herzen, mit der er nicht so recht herausrücken wollte. Vielleicht erschien sie ihm zu dumm, oder er befürchtete, sie würde verraten, wie wenig Ahnung er vom Thema hatte. »Und wenn man nun diese Symphonie entdeckt, und es stellt sich heraus, dass ...« »Dass sie eine Fälschung ist?« »Nein, keine Fälschung. Dass sie totaler Mist ist.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Beethoven war doch taub. Wie konnte er wissen, ob das, was er geschrieben hatte, gut oder schlecht klang?« »Beethoven war nicht taub, er ist taub geworden, das ist ein großer Unterschied. Und er wurde auch nicht plötzlich taub. Es war ein schleichender Prozess.« »Na gut, aber am Ende war er stocktaub, nicht wahr? Sie müssen verstehen, für jemanden, der sich damit nicht auskennt, ist ein tauber Musiker wie ein blinder Maler. Eine absurde Vorstellung.«
    »Noch absurder wird es Ihnen vorkommen, dass manche Leute behaupten, er habe, gerade weil er taub war, umso besser komponiert.«
    »Ach was, erzählen Sie mir doch nichts. Wollen Sie noch einen Hotdog?«
    »Nein, vielen Dank. Ich gehe gleich noch in ein Konzert, das mit dem Thema zu tun hat, und danach gibt es bestimmt einen Imbiss vom Feinsten. Für den möchte ich noch Platz lassen.«
    »Also, einen tauben Musiker ... nee, das kann ich mir nicht vorstellen. Es kommt mir fast pervers vor.« »Und wenn das ganz Besondere an Beethoven genau daher rührte, dass er nichts hören konnte? Wenn man die Musik anderer Komponisten hört, beeinflusst und prägt das immer die eigene Art zu komponieren, auch wenn es nur unterbewusst geschieht. Selbst wenn man nicht kopiert. Aber wenn man nichts davon hört, müssen die Ideen zwangsläufig aus dem eigenen Köpfchen kommen, und nirgendwo anders her.«
    »Tja, dann wollen wir mal sehen.« Der Mann kratzte sich am Kopf. »Vielleicht haben Sie Glück und finden diese Symphonie.«
    Eine Gruppe Sch üler näherte sich. Sie versprachen ein gutes Geschäft, also wurde das Gespräch schnell beendet. Daniel verabschiedete sich und überließ das Feld der weiteren Kundschaft.
    Bevor er sich zu dem Konzert aufmachte, vergewisserte er sich, ob er die Einladung, die Durán ihm gegeben hatte, bei sich trug. Er betrachtete sie und dachte dabei an berühmte Musikskandale wie die Premiere von Strawinskys Le sacre du printemps in Paris, bei der es zu Prügeleien zwischen Befürwortern und Gegnern des Stücks gekommen war. Oder die Premiere von Verdis Traviata in Venedig: Die Sopranistin war so rund und gesund gewesen, dass das Publikum in Gelächter ausbrach, als der Arzt sang: »Die Schwindsucht gewährt ihr nur noch ein paar Stunden.«
    Doch das waren Werke, die es tats ächlich gab. Dies war das erste Mal, dass eine nicht existierende Symphonie möglicherweise einen Skandal auslösen würde.

6
    Nicht weit entfernt, in der luxuri ösen Suite von Thomas' Tochter Sophie Luciani, läutete schon seit einer Minute das Telefon, und niemand nahm den Hörer ab. Dann endlich öffnete sich die Badezimmertür, und eine attraktive, ungefähr dreißig Jahre alte Frau trat heraus, das nasse Haar in ein großes Handtuch mit den Initialen des Hotels gewickelt. Sie ging ans Telefon und badete dabei den Hörer in Schaum. »Ja?«
    »Wo warst du?«, fragte Prinzessin Bonaparte. »Ich versuche schon seit zehn Minuten, dich zu erreichen.« »In der Badewanne. Ich habe das Telefon nicht gehört, ich nehme doch immer meinen iPod mit hinein.« »Ist das nicht gefährlich, meine Liebe? Schließlich ist es ein elektrisches Gerät. Wenn er dir eines Tages ins Wasser fällt ... du würdest uns großen Kummer bereiten, Sophie.«
    »Zuerst ja wohl mir, oder? Aber macht euch keine Gedanken, das Gerät läuft mit einer lächerlich kleinen Batterie. Wenn der iPod in die Wanne fällt, ist nur Lucio Dalla hinüber, denn fast alle CDs von ihm sind darauf gespeichert. Gibt es etwas Bestimmtes?«
    »Louis-Pierre geht es nicht so gut. Macht es dir etwas aus, wenn wir nicht mit ins Konzert gehen?«
    »Überhaupt nicht. Ich kann ja Olivier

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