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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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morgens bei ihnen war.«
    »Bis drei Uhr? Und was haben sie so lange gemacht?« »Geplaudert, nehme ich an.«
    »Wie praktisch. In der Presse wird veröffentlicht, dass Thomas zwischen zwei und drei Uhr gestorben ist, und schon haben drei Leute ein Alibi für genau diese Zeit.« »Chef, verdächtigst du etwa die Tochter? Du hast doch gesehen, wie sie zusammengebrochen ist, als sie ihren Vater gesehen hat. Und ...« Aguilar schwankte einen Augenblick und zog es dann vor, den Satz unvollendet stehenzulassen, aus Furcht vor der Reaktion seines Chefs. »Und was?«
    »Nichts, eine blöde Idee.«
    »In polizeilichen Ermittlungen kann der größte Blödsinn von Nutzen sein. Beende den verdammten Satz.«
    »Ich wollte nur sagen, ich glaube, dass Schönheit und Güte oft Hand in Hand gehen.«
    »Was willst du damit andeuten? Weil sie eine scharfe Braut ist, kann sie es nicht gewesen sein? Das ist derartig dämlich, da lohnt sich nicht einmal die Mühe, zu widersprechen!«
    »Ich habe ja gesagt, eine blöde Idee. Aber du hast darauf bestanden ...«
    »Nächstes Mal hältst du die Klappe, selbst wenn ich dich auf Knien anflehe. Sonst noch was?« »Erinnerst du dich daran, dass Sophie uns im Labor gesagt hat, ihr Begleiter bei dem Konzert sei ein Freund ihres Vaters gewesen, ein gewisser Delorme?« »Ja. Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Ich treffe ihn später im Hotel. Er wohnt ebenfalls im Palace. Sein Name ist Olivier Delorme, und er ist nicht ein Freund von Thomas gewesen, sondern der Freund.« »Mach keine Witze. Thomas war schwul? Woher weißt du das denn?«
    »Von den Bonapartes. Die Delorme übrigens nicht einmal von weitem sehen wollen. Das nennt man wohl Homophobie, soweit ich weiß. Sie haben mir gesagt, Thomas' sexuelle Orientierung habe sich nach der Scheidung von seiner Frau, Sophies Mutter, gründlich geändert.« »Und wieso hat uns Sophie verschwiegen, dass Delorme und ihr Vater ein Paar waren?«
    »Vielleicht schämt sie sich, einen homosexuellen Vater gehabt zu haben. Oder sie wusste gar nicht so genau, was zwischen den beiden lief.«
    »Oder sie deckt ihn, Aguilar. Schönheit und Güte gehen nicht nur nicht Hand in Hand, sehr oft kleidet sich das Böse auch in das Gewand der Schönheit, um seine Opfer gef ügig zu machen. Denk nur an die Sirenen in der Odyssee und ihre wunderbaren Gesänge, die einzig und allein dazu dienten, die Seefahrer anzulocken, damit sie an den Klippen zerschellten.«
    »Apropos wunderbare Gesänge, Chef. Das erinnert mich an das einzige Klassikkonzert, in dem ich war. Ein Liederabend. Da gab es richtig Stunk: Scht -Sager gegen Pst -Macher. Die hätten sich beinahe umgebracht.« »Wovon redest du?«
    »Als die Sängerin anfangen wollte, gab es immer noch welche, die redeten. Da fing ein allgemeines Gezische an, womit wohl absolute Stille erreicht werden sollte, damit das Konzert beginnen konnte. Doch die Scht -Sager wurden ihrerseits ausgezischt von anderen, die fanden, es sei schon längst still genug im Saal, und die nun durch ihr Pst die Zischer zum Schweigen bringen wollten. Und diese Pst -Macher gewannen immer mehr Anhänger, so dass die Scht -Sager sich moralisch im Recht fühlten, ihr Gezische wieder aufzunehmen, diesmal in der Absicht, die Pst -Macher niederzukämpfen.« Mateos verdrehte die Augen. »Und auf welcher Seite warst du?«
    »Ich war bei der schweigenden dritten Gruppe, den Scht-Pst -Verweigerern. Die Welt der klassischen Musik ist ganz schön abgedreht.«
    Aguilar konzentrierte sich nun wieder aufs Wesentliche und zog ein Passfoto aus der Tasche, das er Mateos vor die Nase hielt. »Wer ist das? Meister Proper?« »Das ist Delorme, Chef. Sieht ganz schön finster aus, nicht wahr?«
    »Auf Passfotos sieht jeder finster aus.« »Nach der Beschreibung der Bonapartes ist er fast zwei Meter gro ß und breit wie ein Schrank. Ich erwähne das nur, weil er bisher der einzige Mensch in diesem Fall ist, der genügend physische Kraft hätte, einen Typen wie Thomas festzuhalten, ihn unter eine Guillotine zu klemmen und ihm den Kopf abzutrennen.«
    »Wir tappen doch völlig im Dunkeln, Aguilar. Die eine kann es nicht gewesen sein, weil sie gut aussieht. Der andere ist verdächtig, weil er kräftig ist. Was spielen wir hier? Cluedo? Es war der Direktor Grün mit der Axt in der Bibliothek. Und weißt du, weshalb wir nicht weiterkommen? Weil wir das Motiv nicht kennen. Wir wissen nicht, warum dieser Musiker umgebracht wurde. Wenn wir das wüssten, könnten wir vielleicht, aber auch

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