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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Musiker haben ja nur die ersten Buchstaben des Alphabets zur Verfügung. Der Un gar Bela Bart ök unterzeichnete zum Beispiel mit seinen Initialen musikalisch eine Partitur. Und dann gibt es Spaßvögel wie den Iren John Field, der im 19. Jahrhundert gelebt hat und einem Gastgeber mit einigen Liedern für ein üppiges Mahl dankte, die auf den Noten B E E F und C A B B A G E S basierten - Rindfleisch und Kohl.« »Ich hasse englisches Essen«, ließ Maria verlauten. »Auch Hass kann man über Noten ausdrücken«, griff Daniel ihren Einwurf auf. »Edward Elgar, der Komponist von Pomp and Circumstance, rächte sich an einigen Musikkritikern, die unbarmherzig auf ihn eingeprügelt hatten, indem er deren Initialen in den Chor der Teufel seines Oratoriums The Dream of Gerontius einarbeitete.« Daniel unterbrach sich kurz, damit die respektvoll lauschenden Studenten die Namen und Fakten aufnehmen konnten, und fuhr dann fort: »Da euch offensichtlich die Verbindung zwischen Musik und Nachrichtenverschlüsselung interessiert, kommen wir nun zu Alberti. Wisst ihr, wer das war?«
    »Der mit Der verlorene Hain und Matrose auf Landgang?«, fragte Maria.
    »Vielen Dank, Maria, aber ich spreche nicht von Rafael Alberti, dem Dichter aus Cädiz, sondern von Leon Battista Alberti. Habt ihr noch nie von ihm gehört? Alberti ist eine Schlüsselfigur, wenn es um die Beziehung zwischen Musik und Kryptographie geht. Sein Leben wurde von Giorgio Vasari in dessen Vite beschrieben. Vergesst Leonardo da Vinci und seinen berühmten, Literatur gewordenen Code. Alberti ist weit weniger bekannt als Leonardo, doch er vereinte noch mehr Fähigkeiten und Talente in sich als sein Landsmann: Er war Maler, Dichter, Linguist, Philosoph, Kryptograph, Architekt und, für uns am inter essantesten, Musiker. Mitte des 15. Jahrhunderts erfand er eine Scheibe «, Daniel zeichnete sie, so gut er konnte, an die Tafel, »die als Alberti-Scheibe bekannt wurde. Das sind zwei konzentrische Räder, die man nach Belieben drehen kann. Derjenige, der die Nachricht mittels dieses einfachen Ersetzungsverfahrens verschlüsselte, musste den Empfänger nur wissen lassen, in welcher Position die Scheiben sich befinden sollten, damit der den richtigen Text lesen konnte. Wenn ich jetzt in der Position, wie die Scheiben an der Tafel stehen, einem von euch irgendeine geheime Nachricht zukommen lassen wollte, wie zum Beispiel ...«
    »Ort und Zeit eines Dates«, sagte Maria schnell. »In Ordnung. Als Ort sagen wir mal ...« »Hontanares. Ich meine das Cafe«, schlug Maria vor. »Gut. Und die Uhrzeit ...«
    »Vierzehn Uhr«, sagte sie, und Daniel wurde rot. Er schrieb die Zeichen nach ihrem Vorschlag an die Tafel, chiffriert mit Hilfe der Alberti-Scheibe. »Aber der Alberti-Code ist ein Buchstabencode«, wandte der Bariton, der eben gesungen hatte, ein. »Was hat das mit verschlüsselten Nachrichten in der Musik zu tun?« »Um komplexe Nachrichten als Musikstück zu verschlüsseln, könnte man eine spezielle Alberti-Scheibe anfertigen - das ist leicht, man braucht nur zwei Kreise aus Pappe -, bei der die Kästchen in dem kleineren Rad Noten sind. Vielleicht bastle ich selbst heute so eine - ich habe nämlich ein kleines Rätsel zu lösen.«

24
    Zur selben Zeit sprach in Wien Jake Malinak, dessen rechte Seite von seinem Sturz auf den Holzfu ßboden noch erheblich schmerzte, in Otto Werners Büro mit einem Kriminalbeamten der österreichischen Bundespolizei. Doktor Werner selbst war ebenfalls anwesend. Auf seinem Schreibtisch lag ein Brief, der, Farbe und Beschaffenheit des Papiers nach zu urteilen, mindestens zweihundert Jahre alt sein musste. Der Text lautete:
    es erscheint mir rathsam,
    dass wir uns noch einige zeit nicht sehen.
    In Sehnsucht
    Dein Ludwig
    »Der Brief wurde im Polizeilabor gründlich untersucht, er ist echt. Die Unterschrift stimmt mit der Ludwig van Beethovens überein«, sagte der Kriminalbeamte. »Man könnte sagen, dein Sturz war ein echter Glücksfall, Jake«, meinte Doktor Werner. »Du bist über nichts Geringeres gestolpert als einen Brief Beethovens an eine seiner Geliebten!«
    »Wie und wo genau haben Sie den Brief gefunden, Herr Malinak?«
    »Ich hatte mit Herrn Werner über berufliche Dinge geredet. Nach dem Gespräch stand ich auf und ging Richtung Tür. Dabei stieß ich gegen ein Dielenbrett, dessen Nägel anscheinend gelockert waren, denn ich konnte es ohne Mühe vom Boden lösen.«
    Doktor Werner zeigte dem Polizisten die genaue Stelle, auf die sich

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