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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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nur vielleicht, darauf kommen, wer es getan hat.« »Soll ich Delorme nicht vernehmen?« »Doch, aber achte nicht nur auf das Alibi. Alibis kann man fälschen. Oder man beauftragt jemanden, die Sache zu erledigen. Das Motiv ist der Schlüssel. Konzentrier dich darauf. Finde heraus, ob dieser Glatzkopf einen Grund hatte, seinen Geliebten umzubringen.« »Wäre es nicht besser, du würdest mitkommen? Vier Augen sehen mehr als zwei.«
    »Keine Zeit, ich muss zum Gericht. Was haben die Kryptographen zu dem Tattoo gesagt?«
    »Offenbar war die Richterin mit Pontones, dem Gerichtsmediziner, und einem jungen Musikwissenschaftler im Labor. Dieser soll erkannt haben, dass die Noten auf dem Kopf aus dem Kaiserkonzert von Beethoven stammen.« »Wundervoll. Und wann gedachte sie, uns das mitzuteilen?«
    »Ich weiß es nicht, Chef. Aber immerhin haben wir schon etwas.«
    »Was wir hier haben, sind parallele Ermittlungen. Die Richterin stellt auf eigene Faust Nachforschungen an, weil sie uns vom Morddezernat für einen unfähigen Haufen hält.«
    »Wir haben letztes Jahr einen groben Fehler begangen, als uns dieser Kolumbianer durch die Lappen gegangen ist, und das hat sie uns noch nicht verziehen. Sie ist eben sehr nachtragend.«
    »Ich möchte mit diesem Musikwissenschaftler reden. Wie heißt er?« »Daniel Paniagua.«
    »Bestell ihn aufs Dezernat. Oder nein, warte, machen wir es ein bisschen zuvorkommender. Sag mir, wo ich ihn finden kann, und dann such ich ihn auf.« »Da ist noch etwas. In diesem Dossier über Marañón, das du mir gegeben hast, steht, dass er einer Freimaurerloge angehört.« »Ja, und?«
    »Nun, ich habe den Text des Freimaurergelöbnisses im Internet gefunden. Eine der Strafen für Verräter ist, ihnen den Kopf abzuschlagen.«

23
    Wenn er aufgeregt war, bekam Daniel immer Fressattacken. Nachdem er das Treffen mit Marañón in dessen Haus für den nächsten Tag vereinbart hatte, verschlang er unter Humbertos und Cristinas ungläubigen Blicken das Frühstück, das er fünf Minuten zuvor nicht einmal hatte probieren wollen. Daniels Freunde, die immer mehr begriffen, wie tief er in den Fall Thomas verwickelt war, empfahlen ihm noch einmal nachdrücklich, sein Privatleben nicht zu vernachlässigen: »Vertrag dich, so schnell du kannst, mit Alicia, und vergiss vor allem nicht, dass unsere Hochzeit schon bald ist. Wenn du nicht kommst, kündigen wir beide dir die Freundschaft, darauf kannst du dich verlassen. Außerdem schneide ich dir persönlich die Eier ab.«
    Auf dem Weg zum Institut schwirrten Daniel immer noch die beiden Fragen im Kopf herum, die zwei verschiedenen Welten anzugeh ören schienen: Würde seine Freundin die Schwangerschaft womöglich abbrechen, ohne vorher noch einmal mit ihm darüber zu reden? Und: Weshalb sollte ein so mächtiger, einflussreicher Mann wie Marañón ihn sprechen wollen?
    Auf Wunsch der Studenten, die von dem Thema ganz begeistert waren, w ürde es in der ersten Seminarstunde wieder darum gehen, in welcher Weise Komponisten im Laufe der Geschichte Noten als Buchstaben verwendet hatten.
    »Es waren nicht immer Widmungen für eine Frau, wie bei Schumann«, erläuterte Daniel. »Einige Musiker haben die Noten als eine Art Unterschrift benutzt. Das bekannteste Beispiel dafür ist Bach.«
    Daniel schrieb die vier Noten, die den Namen des deutschen Komponisten bildeten, an die Spezialtafel mit Notenlinien.
    »Und wie klingt das?«, fragte Maria Gil. Diese Studentin brachte Daniel manchmal dadurch in Bedrängnis, dass sie ungeniert vor dem ganzen Seminar mit ihm flirtete. »Möchte das jemand vorsingen?«
    Als Antwort erntete er das einm ütige Schweigen aller fünfzehn Studenten.
    »Ich weiß, dass es hier einige gibt, die neben Musikwissenschaft auch Gesang studieren«, sagte Daniel, ging ans Fenster und schaute kurz in den Himmel, als würde er die Wetterlage erforschen. »Es wäre wirklich eine Schande, wenn ich das Motiv singen müsste, wo doch heute ein so schöner Tag ist und wir hier ein paar erstklassige Sänger haben.«
    Endlich f ühlte sich ein Student angesprochen und sang mit einer glänzenden Baritonstimme die vier Noten des Bach-Motivs. Alle applaudierten, als habe er eine Arie aus der Matthäuspassion zum Besten gegeben. Dann fuhr Daniel fort: »Bach verwendete die seinem Namen entsprechenden Noten in zahlreichen Kompositionen als geheime Unterschrift. Doch die Übereinstimmung zwischen Noten und Buchstaben taugt nur für kurze, sehr einfache Nachrichten, denn die

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