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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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aber hier ist ein Herr von der Polizei, der mit dir sprechen will.«

26
    An jenem Vormittag erschien Olivier Delorme nicht zu dem Treffen mit Subinspector Aguilar. Als der Polizist in das Hotel des Franzosen kam, übergab ihm der Portier eine Nachricht, Delorme habe wegen einer dringenden beruflichen Angelegenheit nach Paris reisen müssen, werde sich jedoch nach seiner Rückkehr am nächsten Tag mit ihm in Verbindung setzen.
    Aguilar nutzte die Gelegenheit, noch einmal mit Sophie Luciani zu sprechen. Mittlerweile hatte sie zwar ihre v öllige Zurückgezogenheit aufgegeben, verbrachte aber dennoch die meiste Zeit in ihrem Zimmer. Sie stand unter dem Einfluss starker Beruhigungsmittel. Angesichts ihres labilen Zustands beschloss der Subinspector, sie so wenig wie möglich zu belästigen. Er teilte ihr mit, dass nach einer richterlichen Entscheidung Thomas' sterbliche Überreste nicht seinem Wunsch gemäß verbrannt, sondern beerdigt würden - für den Fall, dass man sie erneut untersuchen müsste. Der Polizist zeigte ihr eine Abschrift der Notentätowierung auf Thomas' Hinterkopf. An dem Tag, als sie im Labor war, hatte man dies wegen ihres Nervenzusammenbruchs nicht angesprochen. Sophie Luciani versicherte, dass sie von der Existenz der Tätowierung nichts gewusst habe und ebenso wenig wisse, wie sie zu lesen sei. Als der Polizist sich verabschiedet hatte, ging Sophie so fort hinauf zu den Bonapartes, um ihnen die Neuigkeit zu überbringen.
    »Ich nehme an«, sagte der Prinz, nachdem er Sophies Bericht aufmerksam angehört hatte, »die Polizei hat dir nicht nur von den Noten erzählt, sondern dir auch eine Kopie dagelassen, falls dir doch noch ein Weg einfällt, sie zu entschlüsseln.«
    Sophie öffnete ihre Handtasche, zog ein Blatt mit den Noten der Tätowierung heraus und reichte es ihm. Misstrauisch nahm er es entgegen, als wäre es ein belastendes Dokument. Er warf einen kurzen Blick darauf und sagte: »Bedauerlicherweise haben Jeanne und ich keine Ahnung von Musik, so gerne wir sie auch hören. Ich würde mir aber daraufhin einmal diese Alberti-Scheibe näher anschauen, die du uns vor ein paar Tagen gezeigt hast.« Sophie holte sie für den Prinzen aus ihrem Zimmer, und er untersuchte sie gründlich, drehte die beiden Scheiben in die eine und die andere Richtung und probierte, ob man sie auseinandernehmen konnte, ob darin irgendein Versteck war.
    »Es scheint nicht so, als sei eine Feder darin«, schloss er letztendlich. »Hat dein Vater dir gesagt, ob er auch so eine Scheibe besaß?«
    »Er besaß eine ganze Menge davon. Einige hatte er selbst angefertigt, andere von Sammlern oder Antiquitätenhändlern erworben. Ihr wisst doch, ihn faszinierte alles, was mit Codes und verschlüsselten Nachrichten zu tun hatte. Jahrelang hat er versucht, hinter das Geheimnis der Enigma-Variationen zu kommen.«
    »Verzeih, Sophie, aber weder Jeanne noch ich wissen, worauf du dich beziehst.« »Das ist eines der bekanntesten Werke des britischen Komponisten Edward Elgar. Ihr wisst schon, der mit Pomp and Circumstance. Sie beruhen auf zwei Themen, von denen eines nie in der Partitur auftaucht: Es ist eine Art Geistermelodie. Bisher ist es noch niemandem gelungen, sie zu identifizieren. Mein Vater erz ählte mir vor kurzem, er sei nahe dran - eine Entdeckung, die ihm Weltruhm eingebracht hätte.«
    »Hast du einmal verschlüsselte Nachrichten mit deinem Vater ausgetauscht?«
    »Nein, nie. Nur mit Olivier. Aus reinem Vergnügen. Ihr wisst ja, wie gerne er spielt. Aber das waren keine besonders spannenden Nachrichten.«
    »Woher hatte er seine Alberti-Scheibe? Auch von deinem Vater?«
    »Nein, Oliviers Scheibe habe ich selbst nach dem Modell von meiner angefertigt. Ich wollte jemanden haben, mit dem ich die Verschlüsselung ausprobieren konnte.« »Was für Nachrichten waren das genau?«, wollte die Prinzessin wissen.
    »Ach, es ging um Alltägliches. Das letzte Mal, dass ich ihm eine Nachricht geschickt habe, war am Abend des Konzerts, als ihr gesagt hattet, dass ihr nicht mitkommen würdet. Ich schrieb ihm einfach: Gehst du mit? « »Und du findest es nicht merkwürdig, dass dein Vater dir eine Alberti-Scheibe schenkt, obwohl du überhaupt niemanden hast, mit dem du Nachrichten austauschen könntest?«, fragte der Prinz.
    Sophie bat ihn, ihr die Scheibe zur ückzugeben, und strich zärtlich mit dem Finger darüber. »Ich bin sicher, mein Vater hat sie mir nur geschenkt, weil sie so schön ist. Seht doch, wie reich das Holz

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