Die 10. Symphonie
kam der stummen Aufforderung nach und trat einen Schritt zurück, als ob er deutlich machen wollte, dass er sich nicht wieder einmischen würde. »Die Beziehung zwischen Ihnen und Thomas ...« »Wir waren ein Paar, falls es das ist, was Sie wissen wollen.«
»Seit wann?«
»Nächste Woche hätten wir unser Einjähriges gefeiert.« Delorme schluckte.
»Weshalb waren Sie zur Tatzeit in Madrid? Aus geschäftlichen oder privaten Gründen?«
»Beides«, antwortete der Franzose. »Ich habe Ronald auf dieser Reise begleitet, teils, weil ich bei der Uraufführung der Symphonie dabeisein wollte, teils wegen dieses Großauftrags. Doch sein Tod hat mich so aus der Bahn geworfen, dass ich nicht weiß, ob ich es schaffe, die Arbeit zu Ende zu bringen. Ich verliere dauernd die Beherrschung ... Sie haben es ja gerade gesehen. Mein Ausbruch war nicht gerechtfertigt, eigentlich ist dieser Mann hoch qualifiziert.«
»Beim Hereinkommen hatte ich angenommen, das Personal, das hier mit Ihnen arbeitet, sei vom Club. Das Lokal gehört Ihnen nicht, oder?«
»Nein, ich bin nur hier, um die Tische aufzubauen. Ich arbeite immer mit meinen eigenen Leuten.« Mateos hatte den Eindruck, dass Delormes Augen feucht wurden und dass er jederzeit in Tränen ausbrechen würde. Er hatte den Impuls, ihm freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen, doch das erschien ihm unprofessionell, also sagte er: »Wenn Sie erst einmal den Streit mit Ihrem Angestellten bereinigen wollen, können wir später wiederkommen.«
Delorme sah auf die Uhr und nickte. »Ja, vielen Dank. Kommen Sie in einer halben Stunde wieder. Ich werde mich bei Francois entschuldigen.«
Als Mateos und Aguilar, nachdem sie einen Kaffee getrunken hatten, in den Billardclub zur ückkehrten, sahen sie, dass Delorme sich tatsächlich gefangen hatte. Gerade erklärte er seinem Angestellten etwas, das wohl mit dem Queue zu tun hatte, das er in der Hand schwang.
»Spielen Sie?«, fragte er die beiden Polizisten, als sie bei ihm angekommen waren.
Mateos sch üttelte den Kopf. Aguilar war drauf und dran, ja zu sagen: In einigen der Botschaften, in denen sein Vater gearbeitet hatte, gab es Billardtische, und sein Vater hatte die Gelegenheit genutzt, ihm die Grundlagen des Spiels beizubringen. Doch dann hielt er es für klüger, Mateos nicht mit seinen Billardkenntnissen zu reizen, und sagte nur: »Ehrlich gesagt bin ich besser im Kickern.« »Stört es Sie, wenn ich den Tisch teste, während wir reden? Ich bin mit allem spät dran.«
»Überhaupt nicht«, antwortete Mateos. »Ich bin ein furchtbar schlechter Spieler, aber ich liebe es, die Kugeln über den Spieltisch rollen zu sehen.« Delorme legte zwei von drei Kugeln in eine der Ecken des Tischs und spielte mit der dritten eine Reihe von Stößen, um zu schauen, wie die Bande ansprach und ob die Winkel parallel zur Spielfläche waren. Genau im richtigen Augenblick fing er sie ab, hielt sie vor den Mund, hauchte sie an und polierte sie mit einem Tuch, bis sie genauso glänzte wie sein Kopf. Dann legte er sie wieder auf den Spieltisch und ließ sie probehalber rollen. Mateos und Aguilar sahen andächtig schweigend zu, mit welcher Meisterschaft Delorme die verblüffendsten Kunststückchen vollführte: mehrfache Bandenstöße, Bogenstöße, Umkehrer ... Es schien keinen Stoß zu geben, den er nicht beherrschte. »Das könnte ich auch gern - vielleicht habe ich den Beruf verfehlt«, gab Mateos zu.
»Lassen Sie sich nicht vom äußeren Anschein täuschen. Ich bin bloß ein mittelmäßiger Spieler. Hätte ich mehr Talent, würde ich professionell spielen. Sie werden es nicht glauben, aber seit das Fernsehen diesen Sport entdeckt hat, kann man, wenn man gut ist, ganz ordentlich vom Billardspiel leben. Aber lassen Sie uns jetzt von Wichtigerem reden ... «
»Der Hotelportier hat uns davon unterrichtet, dass Sie am Abend der Tat früh ins Hotel zurückgekehrt sind. Wieso sind Sie nicht zum Fest geblieben?«, fing Mateos an. »Das wäre mir vorgekommen wie ... Was soll ich sagen ?... wie eine Banalisierung dieses wunderschönen Konzerts. Wer hat schon Lust, nach Beethoven Salsa zu hören? Abgesehen davon hatte Sophie Kopfschmerzen und bat mich, sie zurück zum Hotel zu bringen. Sie können Sophie fragen, wenn Sie möchten.«
»Das ist nicht nötig. Durch die Überwachungskameras auf dem Grundstück wissen wir bereits, wer wann mit wem fortging.«
»Wirklich? Und ist Ronald auch auf diesen Bändern?« »Selbstverständlich. Er verlässt das
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