Die 10. Symphonie
gebeten, sich zu setzen, und erklärte Marañón den Grund seines Besuchs. »Wir haben die Filme aus den Überwachungskameras genauestens untersucht und können nun mit Sicherheit sagen, dass Thomas das Haus an dem fraglichen Abend allein verließ.«
»Und was ist daran so bemerkenswert?« »Wenn wir richtig informiert sind, hat Olivier Delorme, Thomas' Partner, ihn nach Spanien begleitet und auch das Konzert besucht. Würde man nicht normalerweise davon ausgehen, dass die beiden Ihr Grundstück gemeinsam verlassen haben?«
»Wahrscheinlich schon. Wobei es nach dem Konzert ein Fest mit Salsamusik gab, das bis zum Morgen andauerte. Möglicherweise sind sie nicht zusammen gegangen, weil Thomas von den Proben und Konzertvorbereitungen erschöpft war und daher an dem Abend nicht in Stimmung, wie man so sagt.«
»Hat er sich von Ihnen verabschiedet, als er ging?« »Ehrlich gesagt, nein. Aber es kann sein, dass er mich gesucht hat, um auf Wiedersehen zu sagen, und mich nicht fand. Dieses Haus ist weitläufig, und ich kümmerte mich mal hier, mal dort um meine Gäste.« »Sie waren sein Gastgeber. Haben Sie mitbekommen, ob er sich an dem Abend oder in den Tagen vor dem Konzert mit seinem Partner gestritten hat?«
»Nein. Verdächtigen Sie Delorme?«
»Um ehrlich zu sein, haben wir keinen Verdächtigen, Sehor Marañón. Doch es kristallisiert sich ein mögliches Tatmotiv heraus.«
»Aber auch die Tatwaffe haben Sie bisher noch nicht gefunden, stimmt's? Und seit es einmal in der Presse veröffentlicht wurde, ist allgemein bekannt, dass ich in meinem Haus eine Guillotine habe, original aus dem Jahr 1792.« »Sie sagen es.«
»Möchten Sie sie überprüfen?« »Das weiß ich noch nicht. Sollte ich denn?« »Wenn es Sie beruhigt ... Sie müssten allerdings ein paar Tage warten, bis ich sie wieder zurückhabe.« »Haben Sie sie für eine Ausstellung verliehen?« »Nein, ich lasse sie säubern.«
»Das ist offen gestanden sehr merkwürdig«, sagte Mateos. »In der Stadt wird ein Mord mit einer Guillotine begangen - und kaum haben die Ermittlungen begonnen, lassen Sie die Ihre säubern?«
»Sie werden es mir wahrscheinlich nicht glauben, aber schon vor Monaten habe ich gedacht, dass dieses Juwel meiner Sammlung einmal eine Reinigung und Neueinstellung nötig hat. Folterwerkzeuge unterscheiden sich nicht sonderlich von Musikinstrumenten: Wenn man sie nicht benutzt, gehen sie mit der Zeit kaputt. Ich habe nicht mehr an die Guillotine gedacht, bis mich die Hinrichtung von Thomas daran erinnert hat, dass ich sie einschicken wollte. Ich habe es gern, wenn die Geräte funktionieren.« »Wen haben Sie mit der Überholung beauftragt?« »Den Pariser Geigenbauer Alain Sabatier.« »Die Guillotine ist jetzt also in Paris?« »Wieso wundert Sie das? Das sind sehr empfindliche Anti quit äten, für die ich tief in die Tasche gegriffen habe. Deshalb ist es mir wichtig, sie nur in beste Hände zu geben.« »Und wieso einem Geigenbauer?«
»Die erste französische Guillotine wurde von einem Instrumentenbauer namens Tobias Schmidt hergestellt, mein lieber Inspector.«
»Ich dachte, von Doktor Guillotin.« »Guillotin war nur ihr ideologischer Vorläufer. Zur Zeit der Aufklärung brauchten die Revolutionäre ein schnelles, schmerzloses Verfahren, um die Angeklagten hinzurichten. Es sollte nichts mit den barbarischen Methoden des Mittelalters zu tun haben. Den Entwurf des ersten Apparats verdanken wir Doktor Antoine Louis, einem illustren Mitglied der Academie Chirurgieale. Er gab die Pläne an Schmidt weiter, der dann die erste Guillotine baute.« »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kriminaltechniker großes Interesse daran haben, Ihre Guillotine zu untersuchen, nachdem sie schon durch die Hände dieses Pariser Experten gegangen ist.«
»Nun seien Sie doch nicht so pessimistisch, Inspector. Die Schneide habe ich nicht auswechseln lassen, nur der Mechanismus sollte gefettet und eingestellt werden. Ein Gerichtsmediziner, der etwas von seinem Fach versteht, könnte jeden kleinen Defekt oder irgendeine Unregelmäßigkeit der Klinge mit einer entsprechenden Wunde am Hals des Opfers in Verbindung bringen.« Mateos sah ein, dass sein Gesprächspartner recht hatte, und ging zum nächsten Thema über. »Ich möchte mit Ihnen auch über die halbe Million sprechen, die Sie als Belohnung für die Partitur ausgesetzt haben.« »Wie ich sehe, stehen Sie in Kontakt mit Daniel Paniagua.«
»Wenn sich herausstellt, dass die Partitur das Tatmotiv
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