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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Luciani selbst. Sie trug die Haare offen wie am ersten Abend, als er sie gesehen hatte, doch diesmal war sie viel zurückhaltender gekleidet: ein schwarzer Rollkragenpullover, eine ebenfalls schwarze Hose und eine rotmelierte Jacke, die ihr sehr gut stand. Er wartete das Ende des Stücks ab, das mit einigem Applaus von den vier oder fünf Hotelgästen aufgenommen wurde, die zugehört hatten, und dann ging er zum Klavier, um sich vorzustellen. Abgesehen von der Aussprache, die noch schlechter war als die eines Stewards von Iberia, war sein Englisch nicht so übel. Da er außerdem ein paar Brocken Italienisch radebrechen konnte und Durán ihm einige Notfallsätze auf Französisch notiert hatte, war Daniel zuversichtlich, sich mit ihr verständigen zu können.
    »Ich bin Daniel Paniagua.« Er beugte sich vor, um sie mit zwei Küssen zu begrüßen.
    »Enchantee«, sagte sie. Als Daniel den Kopf nach dem zweiten Luftkuss zurückzog, wurde sie rot, weil sie mit einem dritten gerechnet hatte.
    »Entschuldigung«, sagte er, ein wenig zu heftig. »In Spanien sind es nur zwei.«
    »In Frankreich ist es total chaotisch. In Paris sind es zwei, aber in manchen Gegenden sogar vier. Also habe ich mich für den Mittelweg entschieden und gebe immer drei.« »Ich werde beim nächsten Mal dran denken«, versprach Daniel, hin und weg von dem unaufdringlichen Humor der Französin. Um ihr zu schmeicheln, fragte er: »Wie kommt es, dass Sie unsere Sprache so gut beherrschen?« »Ich hatte einmal einen katalanischen Freund«, antwortete sie. »Er hatte einen lustigen Akzent: halb französisch, halb italienisch. Und mir liegen Sprachen, vielleicht wegen meines musikalisch geschulten Gehörs.« »Was Sie eben gespielt haben, war wunderschön. Bitte machen Sie doch weiter.«
    »Nein, nein«, wehrte sie ab und lächelte über die Häufung von Komplimenten. »Ich wollte mir nur die Zeit vertreiben. Weil der Hotelpianist eine Pause machte, habe ich mir erlaubt, ein bisschen zu spielen. Wo setzen wir uns hin?« »Verschwinden wir von hier, es stinkt zu sehr nach Putzmittel«, bat Daniel.
    Sie verlie ßen die Bar, gingen zu einer Sitzecke unter einer hohen Glaskuppel und setzten sich auf das abgeschiedenste Sofa.
    »Duzen oder siezen wir uns?«, fragte sie. »Es kam mir komisch vor, als du mich gesiezt hast.« »Also gerne du . Erst einmal herzliches Beileid. Ich hatte zwar nicht das Vergnügen, deinen Vater persönlich kennenzulernen, aber auf beruflicher Ebene habe ich ihn sehr bewundert.«
    »Vielen Dank«, sagte sie. »Ich hoffe wirklich, dass sie seinen Mörder bald finden.«
    Sie schwiegen lange im Gedenken an den Verstorbenen, und als Daniel die erste Frage stellen wollte, klingelte sein Handy. Er entschuldigte sich bei seiner Gespr ächspartnerin. Als er Alicias Nummer auf dem Display sah, entfernte er sich ein paar Schritte.
    »Kann ich dich gleich zurückrufen?«, fragte er. »Ja, aber nicht so spät. Wo bist du?« »Im Palace Hotel. Geht es dir gut? Ich wollte dich heute Nachmittag anrufen, um ... na, du weißt schon, um die Wogen ein wenig zu glätten.« »Im Palace Hotel? Was machst du denn da?« »Ich interviewe jemanden.« »Wen denn? Kannst du mir das nicht sagen?« »Sophie Luciani, die Tochter von Thomas.« Alicia sagte nichts dazu, aber ihr Schweigen zeigte Daniel, dass ihr die Situation nicht gefiel. Sie war eifersüchtig. »Und du, wie geht es dir?«, fragte sie schließlich. Der lockere Ton sollte ihren Gemütszustand überspielen. »Ich bin vollkommen eingebunden in die Ermittlungen. Deshalb habe ich dich auch noch nicht angerufen.« »Erinnerst du dich an unseren letzten Abend im Restaurant?«
    »Ja. Ich habe mich wie ein Idiot benommen. Ich glaube, du hast recht: Ich habe mich wirklich zu wenig um dich gekümmert in den letzten Wochen.« »Lieb, dass du das sagst, aber ich rufe gar nicht an, um über unsere Beziehung zu sprechen oder über die Schwangerschaft.« «Aber ...«
    »Nein, das ist deine Sache. Ich meine, ein bisschen Interesse zu zeigen. Ich rufe an, weil ich glaube, dass ich weiß, womit die Zahlen von Thomas' Kopf übereinstimmen.«
    »Phantastisch«, sagte Daniel gespielt enthusiastisch, denn er bezweifelte, dass seine Freundin Erfolg hatte, wo die Kryptologen der Polizei versagten. »Ich ruf dich nach dem Gespräch an.« »Glaubst du mir nicht?«
    Daniel sah zu Sophie hin über, die sich eine Zigarette angesteckt hatte und auf ihn wartete. Es war klar, dass er auflegen musste. »Ich ruf dich später an.

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