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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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ist, gilt sie als Beweismittel. Das bedeutet, dass sie, wenn einer Ihrer Prämienjäger sie aufspürt, als Erstes der Polizei zur Verfügung gestellt werden muss.«
    »Selbstverständlich, Inspector. Das Allerwichtigste ist, dass Thomas' Mörder gefasst wird.« Indem er sich erhob, erklärte Mateos den Besuch für beendet. Doch Marañón bat ihn, noch nicht zu gehen. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Noten, die Thomas auf seinen Kopf tätowiert hatte, einem Morsecode mit acht Ziffern entsprechen.«
    »Das stimmt, mit dieser Hypothese arbeiten wir. Weshalb erwähnen Sie das?«
    »Ich habe eine Theorie, was es mit diesen acht Zahlen auf sich haben könnte«, sagte Marañón mit einem breiten Lächeln. »Wenn Sie so freundlich wären, mir in mein Büro zu folgen, dann erkläre ich es Ihnen gleich.«

41
    Daniel folgte der Empfehlung der Untersuchungsrichterin und bat Sophie Luciani um ein Treffen, um von ihr eine Aufnahme des Konzerts oder eine Arbeitskopie der Partitur zu erhalten. Paniagua war überzeugt, dass sich sein Verdacht zweifelsfrei bestätigen würde, wenn er die Gelegenheit bekäme, Thomas' Arbeitsmaterial ruhig und ausführlich zu analysieren - nicht umsonst sagte man ihm profunde Kenntnisse der Beethovenschen Kompositionstechnik nach.
    Er war beinahe eine halbe Stunde zu fr üh am vereinbarten Treffpunkt, der Bar des Palace Hotels. Abgesehen von zwei abgemagerten Teenagern, die am Tresen Coca-Cola tranken und alle paar Sekunden in dummes Gekicher ausbrachen, war die Bar vollkommen leer. Daniel fiel auf, dass der Boden erst vor kurzem gewischt worden war. Der Geruch nach Putzmittel war noch nicht verflogen und bereitete ihm Übelkeit. Er hatte noch nie begriffen, weshalb Hotels dieser Kategorie nicht auf solche Details achteten. Er setzte sich an den Tisch mit den bequemsten Klubsesseln. Der Kellner kam herbei, und Daniel bestellte einen Gin Tonic.
    »Soll ich ihn auf die Hotelrechnung setzen, Sefior?« Er war versucht, ja zu sagen und aufs Geratewohl irgendeine Zimmernummer zu nennen. Was hatte er zu verlie ren? Wenn der Kellner die Nummer pr üfte, konnte er immer noch behaupten, er sei mit seinen Gedanken woanders gewesen, und bar bezahlen. Seine notorische Angst, auf frischer Tat ertappt zu werden, ließ ihn jedoch verneinen - was er sogleich bereute, als er zwanzig Euro für das Getränk berappen musste. Immerhin war der Gin-Anteil so hoch, dass der Kellner nicht mehr als ein paar Tropfen Tonicwater hinzugefügt haben konnte. Nach zehn Minuten hörte er hinter sich das unvermeidlich schnulzige Geklimper des Hotelpianisten. Diese schienen von ihren Arbeitgebern die Anweisung zu erhalten, weitgehend rhythmusfrei zu spielen, um die Gäste nicht abzulenken - mit dem Ergebnis, dass alles gleich klang, dachte Daniel. Es war das absolute Gegenteil von Beethovens Kompositionsstil. Der hatte den Spitznamen Schwarzspanier nicht nur wegen seines dunklen Teints verdient, sondern auch wegen der außergewöhnlichen rhythmischen Kraft vieler seiner Werke, allen voran der siebten Symphonie, die Wagner die »Apotheose des Tanzes« genannt hatte. Der Bonner Komponist besaß vielleicht nicht das melodische Genie eines Tschaikowsky oder Mozart, doch immer da, wo er es beabsichtigte, brachte er einen dazu, seine energiegeladenen Rhythmen mit den Fingern zu klopfen oder mit den Füßen zu tappen. Die Hotelmusik dagegen wirkte wie ein Beruhigungsmittel. Also schloss Daniel die Augen, legte seinen Kopf an die Rückenlehne des Sessels und ließ sich von den vorhersehbaren, süßlichen Akkorden wiegen. Und da auch der Gin Tonic schon seine Wirkung tat, war er innerhalb kürzester Zeit tief eingeschlafen. Als er wieder aufwachte, war es zwanzig Minuten über der verabredeten Zeit und von Sophie Luciani noch nichts zu sehen: nur ein paar vorneh me schwule Franzosen, die den Glamour der Bar bei weitem überstrahlten, und eine amerikanische Rentnerin mit Schmetterlingsbrille, die ihren Dackel ausschimpfte. Aber keine Spur von der jungen Frau.
    Daniel trank den Gin Tonic aus, der mittlerweile vollkommen w ässrig war, und bemerkte, dass der Pianist plötzlich aus einem Repertoire schöpfte, das weniger abgedroschen war als Paul Ankas My Way. Gerade spielte er die Melodie Lent et douloureux der ersten Gymnopedie von Erik Satie. Daniel mochte das Stück sehr, und er lauschte konzentriert. Er musste sich eingestehen, dass ihm die Interpretation gefiel. Er wandte den Kopf, um zu sehen, wer spielte, und stellte fest - es war Sophie

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