Die 10. Symphonie
gebeten, dir beim Nachdenken zu helfen, oder?«
»Ja, natürlich. Du hast mich einfach nur neugierig gemacht ... und beeindruckt.«
»Wart's ab«, sagte Alicia stolz. »Das Beste kommt noch. Nachdem Kepler seine Berechnungen angestellt und alle Möglichkeiten durchprobiert hat, was teilweise mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann, gruppiert und ordnet es die Folge, die ich eingegeben habe, und teilt mir mit, dass die Nummer folgender ISBN entsprechen könnte: 0-613-28065-2. Da die ISBN international gültig ist, kann kein Buch dieselbe Nummer haben wie ein anderes. Man muss also nur noch im Internet nachschauen, welches Buch gemeint ist. « »Und welches ist es?« »Sitzt du vorm Computer?« »Ja.«
»Gib die Zahl doch einfach in eine Suchmaschine ein, dann weißt du es.«
Daniel bat sie, die zehn Ziffern zu wiederholen. »Das Schweigen der Lämmer von Thomas Harris!«, rief er aus. »So ist es. Doch die Folge, um die es geht, hat keine zehn, sondern acht Ziffern - es kann sich also nicht um ein Buch handeln. Kepler sagt, dass eine international gebräuchliche achtstellige Zahlenfolge zum Beispiel die geographischen Koordinaten sind. Wie du weißt, bestehen diese aus vier Zahlenpaaren, die einen Ort mit Graden und Minuten angeben. Die Ausgangspunkte sind zum einen der Äquator, zum anderen der Nullmeridian. Mir gefällt diese Möglichkeit, die Zahlen zuzuordnen, weil wir Thomas' Tätowierung von Anfang an als eine Art Schatzkarte betrachtet haben. Wenn ich die Folge in ein Navigationssystem eingebe, kommt heraus, dass die Zahlenfolge des Tattoos – 47201320 - mit den geographischen Koordinaten von Österreich korrespondiert: 47 0 20' nördlich des Äquators und 13 0 20' östlich des Nullmeridians.« Daniel schwieg einige Augenblicke, während er die vielen Informationen von Alicia verarbeitete. »Das ist sensationell!«, rief er dann.
»Meinst du wirklich? Schau, Osterreich ist nicht gerade klein ....«
»Zumindest könnte das bedeuten, dass die Partitur Österreich nicht verlassen hat. Thomas hätte sie schließlich mit nach Neuseeland nehmen oder sie irgendwo hier in Spanien verstecken k önnen. Aber ich verwette meinen Kopf darauf, dass sie in Wien ist.«
»Mit der Wette riskierst du was«, sagte Alicia, »wenn man bedenkt, dass bereits jemand enthauptet wurde .«
44
Subinspector Aguilar brachte Inspector Mateos eine Tasse Kaffee mit zwei Beutelchen Zucker. »Wie war's bei Marañón?«
»Ich könnte jetzt aus dem Stand einen Vortrag über die Todesstrafe in Frankreich halten. Aber abgesehen davon - nichts. Wir haben immer noch keine klare Spur.« »Und die Guillotine? Lässt er sie uns untersuchen?« »Zu spät. Sie ist in Paris, bei einem Geigenbauer. Dort wird sie eingestellt und gereinigt.«
»Womit dann jedes Fitzelchen DNA verschwunden wäre. Reicht ein derart verdächtiges Verhalten nicht aus, um die Richterin nochmals um eine Genehmigung für die Telefonüberwachung zu bitten?«
»Ich schreibe jetzt einen Bericht, und wenn ich den zum Gericht bringe, versuch ich es noch mal. Aber mach dir keine Illusionen. Seit dem letzten Fall hat diese Frau uns auf dem Kieker. Es wird schwierig, sie zur Zusammenarbeit zu bewegen. Und du? Bist du weitergekommen?« »Mir ist etwas zum Handy des Opfers eingefallen.« »Und was?«
»Wenn jemand eine SMS schreibt und sie nicht sofort abschicken kann, wird sie doch bei den meisten Handys als Entwurf gespeichert.«
»Ich habe den Bericht der Kriminaltechniker über das Handy gelesen. Mir ist nichts aufgefallen.« In dem Ordner mit nicht gesendeten Nachrichten war nur eine einzige: QEEGXFZ FXDW. «
»Das ist doch keine Nachricht.«
»Wenn das keine Nachricht ist, was macht es dann im Ordner Entw ürfe ?«
45
Daniel hatte von Sophie Luciani die ersehnte CD mit der Aufnahme der Probe ihres Vaters erhalten. Kaum war er an diesem Abend nach dem Gespr äch mit Alicia zu Hause angekommen, legte er die Scheibe in den Rechner. Die Audiodatei war sehr groß, beinahe 60 MB, und hatte eine Spieldauer von 1 Stunde und 25 Minuten. Das Erste, was ihm auffiel, war, dass das Mikrophon unweit des Dirigentenpults aufgebaut gewesen sein musste, denn Thomas' Stimme war nah und deutlich zu vernehmen.
W ährend der ersten Viertelstunde hörte man nur ein Durcheinander von Instrumenten, die gestimmt wurden, und einige Scherze des Dirigenten über die Perücken und Gehröcke, die sie am Tag der Premiere würden tragen müssen. Und dann, nach genau 16 1/2 Minuten: ein paar Schläge
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