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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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der allein während der Französischen Revolution beinahe vierzigtausend Menschen einen Kopf kürzer gemacht hat. Und ich sage allein , weil es nicht dabei blieb. Ich nehme an, Ihnen ist bekannt, dass die Guillotine in Frankreich noch während der Amtszeit Giscard d'Estaings verwendet wurde? Erst Francois Mitterrand schaffte sie ab.« »Auch ein Freimaurer, nehme ich an.« »Darauf können Sie Gift nehmen. Wir waren es, die sie erfunden haben, und wir haben sie auch wieder abgeschafft. Bis zum Sturm auf die Bastille wurden Exekutionen auf zwei Arten durchgeführt: Es gab Enthauptung mit der Axt oder dem Schwert für den Adel und Erhängen für den Pöbel. Beides gleichermaßen blutig. Wüssten Sie, dass Maria Stuart zum Beispiel erst nach drei Axthieben starb? Bis zum dritten war sie noch bei Bewusstsein. Der erste Schlag traf sie am Hinterkopf, der zweite schlug in die Schulter ein und zertrennte die Unterschlüsselbeinarterie, woraufhin das Blut anfing, in alle Richtungen zu spritzen. Erst der letzte Hieb trennte den Kopf ab. Nur ein paar Knorpel waren noch übrig, die der Henker mit der Axt durchsägen musste. Die Bruderschaft, der Doktor Guillotin angehörte ...«
    »Wir sparen Zeit, wenn Sie von denen erzählen, die keine Freimaurer waren, Señor Marañón«, lächelte der Inspector.
    »Glauben Sie mir nicht? Lesen Sie über die Loge La Parfaite Union d'Angouieme nach, dann sehen Sie, dass ich nicht lüge. Guillotin trat sehr früh in die Bruderschaft ein. Von Kindesbeinen an war er besessen davon, die Todesstrafe humaner zu gestalten. Es heißt nämlich, er selbst sei zu früh zur Welt gekommen, weil seine Mutter die Qualen eines zum Tode Verurteilten mit ansah. Ich habe gerade gesagt, dass die Nichtadeligen erhängt wurden, aber die Richter konnten unter Umständen auch andere Hinrichtungsmethoden wie Kochen, Ertränken, Verbrennen mit Ol oder Kreuzigung anordnen. All dies empörte den guten Doktor, der ein egalitäreres Hinrichtungssystem wollte: Dank der Guillotine würden alle auf dieselbe Weise sterben, vom König bis zum Bettler. Tout condamne a mort aura la tete tranchee, verkündeten die Revolutionäre, und dieser bejubelte Satz war bis zur Abschaffung der Todesstrafe 1981 Teil des französischen Strafrechts.« »Darf ich Sie etwas Persönliches fragen? Sie bekennen sich dazu, Freimaurer und folglich ein Gegner der Todesstrafe zu sein. Wieso sammeln Sie dann diese Geräte?« »Das fragt meine Frau auch. Die einfache Antwort ist, dass ich ihren Gebrauch moralisch verurteile, sie jedoch als antiquarische Gegenstände ästhetisch ansprechend finde. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, warum Frank reichs Guillotine nicht ausgestellt wird. Sie w äre doch eine erstklassige Touristenattraktion.« »Sagten Sie nicht gerade, es gibt dort keine mehr?« »Sie wurde abgebaut und in einer Kiste in den Keller von Schloss Fontainebleau, etwa fünfzig Kilometer von Paris, verbracht. Die Verfassung der Fünften Republik sieht ihre Verwendung in Kriegs- oder Krisenzeiten immer noch vor. Dazu braucht es nur einen Erlass des Präsidenten.« »Sagen Sie mir Bescheid, wenn Ihre Guillotine aus Paris zurück ist?«, bat Mateos, um den Besuch nun tatsächlich zu beenden.
    »Selbstredend, Inspector. Wie ich gesagt habe, werde ich die Ermittlungen bis zum Ende unterstützen.« Als der Millionär und der Kommissar sich zum Abschied die Hand gaben, war von weit her, aber deutlich vernehmbar, der markerschütternde, herzzerreißende Schrei einer Frau zu hören, so dass Mateos glaubte, in irgendeinem fernen Winkel der Villa werde jemand gefoltert. Marañón brach in schallendes Gelächter aus, als er Mateos' zwischen Erstaunen und Entsetzen schwankenden Gesichtsausdruck sah, und sagte:
    »Kein Grund zur Aufregung, das ist nur meine Frau. Ich habe ihr vorhin die Centurion Card von American Express sperren lassen. Sie ist jetzt nicht mehr eine der zehntausend Glücklichen auf der Welt, die sie besitzen.«

43
    Daniel hatte das Hotel verlassen und wollte Alicia anrufen, doch der Stra ßenlärm war ohrenbetäubend. So beschloss er zu warten, bis er im Institut war, wo er in Ruhe mit ihr reden konnte.
    Als er den Helm aufsetzte, war ihm, als sehe er im R ückspiegel seines Motorrads in ungefähr zwanzig Metern Entfernung die Silhouette eines Mannes, der ihn beobachtete. Doch als er sich umwandte, um herauszufinden, wer es war, hatte der Typ sich in Luft aufgelöst - und Daniel vergaß ihn bald darauf.
    Im B üro benutzte er das

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