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Die 101 wichtigsten Fragen: Deutsche Literatur

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen: Deutsche Literatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Jahraus
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visuellen Metaphern der Romantik und ihr narratives Potenzial für dieses neue Medium ein unerschöpflicher Fundus. Der Film entdeckt in der romantischen Literatur ein visuelles Potenzial, das bis heute nicht ausgeschöpft ist.
    64. Was hat Romantik mit Kapitalismus zu tun? Bleiben wir gerade noch bei den visuellen Metaphern und bei diesem einen schon genannten Beispiel,
Peter Schlemihls wundersame Geschichte
von Adelbert von Chamisso (1781–1831) aus dem Jahr 1813. Der Titel ist Programm. Peter Schlemihl lernt einen eigenartigen grauen Herrn kennen, der ihm ein scheinbar lukratives Geschäft vorschlägt. Für seinen Schatten bekommt Peter Schlemihl einen Geldsack, der nie leer wird. Doch das Geschäft hat einen Haken. Ohne Schatten verliert Peter Schlemihl jede soziale Anerkennung und schließlich scheitert sogar eine Heirat. Das Geschäft hat sich als Teufelspakt erwiesen (siehe Frage 20, 55).
    Das Zusammenspiel von Teufelspakt und visueller Metapher (verkaufter Schatten) ist für die Literatur ein Instrument der Analyse neuer sozialer Problemlagen und ihrer Kritik. Schon Schiller hattesehr treffende Diagnosen von Prozessen gegeben, die wir heute unter dem Begriff der Moderne zu fassen versuchen, wie zum Beispiel Prozesse der Ausdifferenzierung, die zu Formen der Entfremdung führen – und das mit einer Hellsichtigkeit, lange bevor Karl Marx sich damit befasst hat. Dennoch gibt es weite Bereiche, in denen grundlegende Veränderungen zwar spürbar werden, die aber noch nicht theoretisch oder konzeptionell erfasst werden können. Dazu zählt auch ein Phänomen wie der Kapitalismus, der mit der veränderten Wirtschaftsstruktur der Gesellschaft immens an Bedeutung gewinnt. Mit dem Kapitalismus, so wird an dieser Geschichte deutlich, gerät das Subjekt in eine Krise, weil plötzlich dasjenige, was das Subjekt zum Subjekt macht und eigentlich untrennbar mit ihm verbunden schien, zum Objekt kapitalistischer Transaktionen, also schlichtweg verkauft werden kann. Dabei tritt ein Strukturgesetz des Kapitalismus zutage: Der Schatten ist an sich nichts wert, und doch entscheidet er über eine Existenz. Der Kapitalismus ordnet den Dingen einen Wert zu, der sich radikal von ihrem materiellen Wert unterscheidet. Der Wert bestimmt sich nicht nach dem Ding, sondern nach seinem Handel. Und dieser Umstand lässt wiederum den Rückschluss zu, dass kapitalistische Geschäfte des Teufels sind, weil man die kapitalistischen Dynamiken, soziale Wertstellung und Zinsentwicklung nicht kontrollieren kann.

Nach dem Idealismus: Junges Deutschland und Frührealismus

65. Wie beendet Büchner die Goethezeit? Georg Büchner war ein bemerkenswerter Autor. Absolut besehen, hat er zwar ein überschaubares Werk geschaffen, das im Wesentlichen aus einer Erzählung,
Lenz
, und drei Dramen,
Dantons Tod, Leonce und Lena
und
Woyzeck
, besteht, aber relativ zu seinem Lebensalter ist das schon ganz erstaunlich. Denn Büchner, geboren 1813, wurde nur 23 Jahre und einige Monate alt. Er starb 1837 an Typhus. Er studierte Medizin, zunächst in Straßburg, dann in Gießen, und sollte sich in Zürich habilitieren. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Dass man den wichtigsten Literaturpreis der Bundesrepublik Deutschland nach ihm benannt hat, schenkt ihm die gebührende Ehre.
    Büchner war ein politischer Autor. Weil er in Straßburg studierte, waren ihm die französischen Verhältnisse nicht unvertraut. Und das gilt zu jener Zeit für eine ganze Reihe von Autoren. Politisch denken heißt für Büchner vor allem, die politischen und die sozialen Missstände zu erkennen und diese publizistisch anzugehen. Damit allein verändert sich das Literaturverständnis radikal. Demgegenüber entsteht ein äußerst rigides politisches System, das auf alles, was auch nur im Ansatz gefährlich werden könnte, mit rigider staatlicher Macht und vor allem mit einer nahezu lückenlosen Zensur reagiert. Büchner schreibt beispielsweise ein radikales politisches Pamphlet, den
Hessischen Landboten
, indem er in einem berühmten Ausspruch «Friede den Hütten! Krieg den Palästen!» ankündigt. Die Bauern, die die Schrift in die Hände bekommen, können vielfach nichts damit anfangen und liefern sie freiwillig bei der Polizei ab. Büchner muss sich verstecken und fliehen. Er wird steckbrieflich gesucht. Im Versteck schreibt er in nur fünf Wochen das Geschichtsdrama
Dantons Tod
, in dem er seine Vorstellung von Geschichte und politischer Gestaltungsmöglichkeit entfaltet und eher

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