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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arndt
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glauben dies auch heute noch. Die Realität sah anders aus.
    In dem staatsoffiziellen
Kleinen Politischen Wörterbuch
(1986) wird Rassismus als fester Bestandteil des Kapitalismus und Imperialismus dargestellt, der einerseits zur Eroberung anderer Länder und zur Unterjochung der dort lebenden Menschen dient und andererseits die innenpolitische Aufgabe hat, «die Werktätigen vom Klassenkampf abzulenken». Die SED-Autor_innen ergänzen: «Sein politischideologisches Hauptmerkmal ist die enge Verknüpfung mit dem Antikommunismus.» Rassismus gebe es in kommunistischen Staaten wie der DDR nicht. Damit wird auch unterstrichen, dass es in der DDR weder rassistische Tendenzen noch Rassist_innen gebe. Es ist bezeichnend, dass unabhängige «antirassistische Gruppen» in der DDR von der SED als oppositionell eingestuft und entsprechend verfolgt wurden.
    Die Existenz menschlicher «Rassen» wurde im Übrigen nicht hinterfragt. 1982 erschien in 2. Auflage von dem Ostberliner Sozialanthropologen Gerhard Straaß ein populärwissenschaftliches, in hoher Auflage für ein jugendliches Publikum verfasstes Buch unter dem Titel
Rassen – Herkunft und Zukunft. Urteile und Vorurteile.
Der Autor geht von vier existierenden «Rassen» aus. Am Ende seiner Darstellung betont er schließlich, «Rassendiskriminierung» sei «mit dem Wesen des Sozialismus unvereinbar. Die Sowjetunion ist ein überzeugendes Beispiel dafür, wie mehr als hundert, zum Teil einst rückständigste und einander bekämpfende Völker verschiedener Rassengruppen, unter der Führung der Partei der Arbeiterklasse geeint, gemeinsamden Aufbau des Kommunismus vollziehen.» Die «sozialistische Staatengemeinschaft», heißt es abschließend gewohnt gesetzmäßig-optimistisch im SED-Deutsch, «verbindet den proletarischen Befreiungskampf mit dem Gedanken des sozialistischen Internationalismus und setzt auf diese Weise die Gleichheit der Rassen und Völker erstmals in die Tat um.»
    SED-Staat und DDR-Gesellschaft waren tatsächlich genauso rassistisch wie ihre europäischen Nachbar_innen zwischen 1949 und 1989. Die strikte Politik der Abgrenzung nach Innen und Außen – die mit der Mauer ein untrügliches Sinnbild hatte – beförderte Rassismus zudem. Ähnliches gilt für die anderen Ostblockstaaten.
    Auch für People of Color in der DDR bedeutete die Revolution von 1989 das Ende kommunistischer Repressionen. Allerdings berichten viele davon, wie sie etwa auf Demonstrationen darauf hingewiesen wurden, dass sie nicht Teil des Volkes seien, das hier nach Freiheit und Wiedervereinigung verlangte. Analog dazu berichten People of Color in der alten Bundesrepublik, dass die Wiedervereinigung ihre Bürgerrechtsbewegungen um Jahre zurückgeworfen habe. Gerade ökonomisch wurde die Vereinigung dort als Bedrohung empfunden, was hysterische Schreckbilder eines übervollen Deutschland beförderte und sich in einem Aufschwung des Rassismus äußerte. Hinzu kam, dass den meisten neuen Bundesbürger_innen aus der DDR Erfahrungen fehlten, mit Öffentlichkeit und Pluralität in Freiheit zu leben. Die meisten von ihnen besaßen keine persönliche Erfahrung in der kritischen Auseinandersetzung mit Rassismus. Nicht wenige nutzten nun die Freiheit, ihre rassistische Gesinnung auszuleben. Insgesamt stiegen rassistisch motivierte Straftaten und Verbrechen in einem zuvor in der bundesdeutschen Geschichte nicht gekannten Maße an.
    68. Warum liegt Europa im Zentrum unserer Weltkarte?   Die Geschichte der Kartographie ist eine Geschichte von Männern und Frauen, die das zeitgenössische Wissen, religiöse Annahmen, politische Vorgaben, kulturelle Ansichten und – bis ins 16./17. Jahrhundert hinein – Aberglauben und Mystik verarbeiteten. Fast immer – ob in China, Japan, im arabischen Raum oder in Europa – verorteten sie ihren geographischen Lebensraum als Zentrum der Welt. Bereits im 3. Jh. v. Chr. war die Kugelgestalt der Erde bekannt. Aber erst im europäischen Mittelalter (15./16. Jh.) kam es im Zusammenhangmit den globalen Eroberungen zur Erschaffung neuartiger Globen und vor allem von Weltkarten. Die sich in den nachfolgenden Jahrhunderten durchsetzenden Weltkarten (endgültig zu Beginn des 20. Jahrhunderts) untermauerten eine geopolitische Vormachtstellung Europas, die vielfältige historische, politische, ökonomische und nicht zuletzt rassistische Ursachen hatte. Europa blieb im Zentrum der Weltkarte – so wie wir sie heute auch in Schulbüchern, im Fernsehen oder in Atlanten

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