Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
präsentiert bekommen. Internationale Bemühungen, daran etwas zu ändern, blieben vergebens. Auch Versuche, entgegen den bisherigen Darstellungen die geographischen Räume flächengetreu und somit global einheitlich abzubilden, scheiterten. Die Welt kennt weder links noch rechts, noch oben oder unten. Allein unsere Karten blieben davon unberührt. Mittlerweile gibt es weltweit zahlreiche Alternativentwürfe – einer der bekanntesten dreht die uns gemeinhin bekannte Weltkarte um 180 Grad, was allein schon einen interessanten Perspektivwechsel verlangt –, durchsetzen konnte sich bislang keine.
69. Kann Naturschutz rassistisch sein? Naturschutz genießt allgemein eine hohe Wertschätzung. Ihn mit Rassismus ihn Zusammenhang zu bringen, erscheint absurd. Leider ist es das aber nicht. Denn er hat auch eine koloniale und eine andauernde rassistische Seite.
Die großen Nationalparks der USA, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschaffen wurden, hatten die rücksichtslose, zum Teil militärische Vertreibung der dort lebenden Menschen zur Voraussetzung. Deren bisheriges ökologisch-intaktes Lebensumfeld wurde benötigt, um «geschützte» Erholungsflächen für das «Volk», zu dem sie nicht hinzugerechnet wurden, einzurichten. Dieser Vorgang blieb nicht auf Nordamerika beschränkt. Ebenso geschah es in den europäischen Kolonien in Afrika. Bekanntlich haben europäische Großwildjäger die Bestände bestimmter Tierarten in Afrika im 19. und frühen 20. Jahrhundert dramatisch reduziert, in vielen Gegenden sogar ausgerottet. Die Entstehung der Nationalparks in Afrika erfolgte vor diesem Hintergrund – um zu retten, was noch zu retten war. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts sind im Namen dieses Naturschutzes etwa 14 Millionen Afrikaner_innen vertrieben worden.
Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren viele Millionen Hektar Ackerland vor allem in Afrika und Asien von westlichen Investor_innenaufgekauft wurden. Während dieser Umstand, wie der Agrarwissenschaftler Klaus Pedersen anmerkt, kaum bekannt ist und noch weniger die damit für die dort lebenden Menschen dramatisch verschlechterten Lebensbedingungen, werden zugleich Afrikaner_innen in westlichen Medien als notorische «Wilddiebe» oder gewissenlose «Baumfäller» gezeichnet, die den hehren «Naturschützern» das Leben schwer machten. Dass sie aus ökonomischen Zwängen heraus agieren und die ausländische Investitionspolitik dies entscheidend befördert, bleibt fast immer ungenannt. Dass zugleich Tourist_innen jährlich Millionen Dollar ausgeben, um auf organisierten Safaris Tiere aus Spaß zu töten, und dabei wiederum von den «Naturschützern» geführt und beraten werden, ist ebenfalls kaum bekannt.
70. Ist Blackfacing rassistisch? Viele glauben, dass es nichts als eine gewöhnliche Theater-Maske sei, wenn
weiße
Schauspieler_innen mit schwarz angemalten Gesichtern auf einer Bühne stehen. Dieses Blackfacing steht in einer rassistischen Tradition. In den Mitte des 19. Jahrhunderts etablierten
Minstrel Shows
in den USA tanzten und sangen schwarz angemalte Weiße mit fetten roten Lippen. Das Nach
äffen
Schwarzer, die tatsächlich als affengleich dargestellt wurden, wurde als Parodie inszeniert. Blackfacing wurzelt zugleich in der US-Tradition, die es Schwarzen untersagte, als Schauspieler_innen auf einer Bühne zu stehen.
In den USA spielte 1943 mit Paul Robeson (1898–1976) erstmals ein Schwarzer den Othello. Er spielte ihn bereits 1930 in London; der erste Schwarze Schauspieler, der Othello verkörperte, war der europaweit begeistert gefeierte Ira Aldridge (1807–1867). Spätere Inszenierungen, Robeson gilt als einer der besten Othello-Darsteller im 20. Jahrhundert, und Verfilmungen griffen wieder auf
weiße
Schauspieler zurück, auch in Deutschland wird am Blackfacing festgehalten. Während in einer
Othello
-Inszenierung des berühmten Market Theatre in Johannesburg 1989, also noch zur Zeit der Apartheid, mit John Kani ein Schwarzer Schauspieler den Othello spielte, wurde noch 1998 im Deutschen Theater in Berlin Othello von dem mit schwarzer Theaterschminke versehenen Jörg Gudzuhn dargestellt. Kritiken am Blackfacing wurden zurückgewiesen. Das Theater argumentierte mit größtmöglicher Ignoranz, Rassismus und Othellos Schwarzsein seien für das Stück nicht wichtig. In den beiden nachfolgenden Inszenierungen des Deutschen Theaters von 2004 und2009 standen ein
weißer
Mann mit Tattoos (Wolfram Koch) und eine
weiße
Frau (Susanne
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