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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Namen grüßen, die Hölzer verspeisen, den Geier schlagen ober deinen Bruder unzureichend begrüßen!
    8. Du sollst nicht rückwärts finkeln!
    10. Du sollst nicht vorwärts finkeln!
    11. Du sollst nicht auf einer Düne nächtigen, die gegen Mittag wandert! Wandert sie hingegen Richtung Abenb, dann gute Nacht !
    12. Du sollst nach der Stadt mit dem Namen Anagrom Ataf gehen, und wenn du sie gefunden hast, sollst du sie fangen und zu deiner Heimstatt machen für immerdar!
    Mir wurde ganz weich in den Knien, ich mußte mich erst einmal auf eine Treppenstufe setzen, um zu begreifen, was ich hier in den Händen hielt. Ich öffnete eine zweite Flasche und las, was auf dem Zettel stand:
    1.Ehre das Gimp!
    2. Du sollst keinen weißen Hahn mit seinem Namen grüßen!
    3. Du Sollst kein Holz essen!
    4. Wenn du zwei übereinandergelegte Hölzer auf dem Boden siehst, sollst du sie nicht mit dem rechten Fuße...
    Auch in der dritten Flasche befand sich derselbe Text. Mir war schlecht.
    Zwei alte Männer kamen vorbei und sahen mich da sitzen. »Na, wichtige Flaschenpost?« lachte der eine.
    Der andere tippte mit seinem Finger an seinen Kopf. »Er schickt diese wichtigen Nachrichten schon seit ... laß mich überlegen ... zweihundert Jahren? Dreihundert? Den wievielten haben wir denn heute?«
    Sie gingen lachend weiter.
    »Du sollst nicht rückwärts finkeln!« prustete der eine.
    »Du sollst nicht vorwärts finkeln!« der andere. Sie mußten sich gegenseitig stützen, um nicht vor Lachen von der Treppe zu fallen.
    Wegen diesem alten Verrückten zogen die Gimpel seit Jahrhunderten durch die Wüste. Seinetwegen hatte ich eine Fata Morgana gefangen. Seinetwegen hatten wir die Fatome in Angst und Schrecken versetzt. Er war, wenn man es genau nahm, schuld daran, daß ich in diesem Tornado saß, denn wären die Gimpel nicht dieser Flaschenpost gefolgt, hätten wir Anagrom Ataf nie gefunden, und ich wäre nie in die Nähe der Tornadostadt geraten.
    Ich war am Boden zerstört. Der Alte hatte mich nicht nur in den Tornado gebracht, er hatte mir auch jede Hoffnung geraubt, ihn wieder verlassen zu können. Ich warf die Flaschen in den Schacht, zu dem anderen Gerumpel.
    Ich beschloß, mein Leben völlig zu ändern. Es hatte keinen Sinn, von einer Flucht aus dem Tornado zu träumen, es gab keinen Weg in die Freiheit. Ich hatte mich mit meinem Schicksal abzufinden wie all die anderen auch. Ich wußte, daß sich die meisten über ihre Gefangenschaft mit einer Beschäftigung hinwegtrösteten, entweder einer festen Tätigkeit wie etwa dem Ordnen des Zentrallagers oder mit einem Hobby, vorwiegend dem Sammeln von irgend etwas. Der eine hatte eine umfangreiche Dachziegelsammlung, der andere hortete Stuhlbeine, ein dritter antike Kaffeebohnen, jeder nach seinem Interesse. Ich überlegte lange, was ich sammeln sollte. Von der blamablen Geschichte mit den Schätzen belehrt, entschied ich mich für etwas, das keinen finanziellen, sondern eher ideellen Wert hatte und sogar von allgemeinem Nutzen war: Ich sammelte Geschichten. Ich wollte der Chronist des Tornados werden und die Geschichten all seiner Bewohner niederschreiben. Ich besorgte mir im Warenlager einen dicken Block und mehrere Bleistifte sowie einen Spitzer und einen Radiergummi.
    Dann fing ich an, die Männer im Tornado nach ihren Lebensgeschichten zu befragen.
    Zunächst begegnete man mir mit Mißtrauen. Keiner wollte so richtig mit der Sprache rausrücken, denn anscheinend hatten alle irgend etwas zu verbergen. Aber dann fanden sie doch Gefallen an der Sache, fühlten sich geschmeichelt von der Tatsache, so wichtig genommen zu werden, entwickelten Ehrgeiz, ihre Gedächtnislücken auszufüllen, und wurden schließlich überaus mitteilsam.
    Dabei kam bei den meisten ein dunkler Punkt zutage: Sie hatten alle gelogen, was den wahren Grund ihrer Anwesenheit im Tornado anging. Fast alle erzählten zuerst diese Geschichte von der Karawane, die von dem Sturm überrascht wurde, aber schließlich, nach meinen bohrenden Fragen, rückten die meisten mit der Wahrheit heraus. Der wahre Grund, warum sie im Tornado gelandet waren, war bei fast jedem der gleiche: Sie hatten sich alle schön brav an Tornadohaltestellen aufgestellt und mitwirbeln lassen, aus reiner Abenteuerlust oder jugendlichem Übermut.
    Eine der Ursachen für diese natürliche Unvernunft war, daß die Bewohner des Tornados alle (außer mir) Menschen waren.

    Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene

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