Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
untereinander verkabelt sind. Man mutmaßt, daß der große Bolloggkopf nicht abgestorben ist, sondern immer noch schläft, da er angeblich gelegentlich Unverständliches von sich gibt und periodisch schnarcht.
Der Aufstieg zum Ohr war eher unangenehm als wirklich schwierig. Wenn alle Berge Haare hätten, wäre Bergsteigen ein Kinderspiel. Ich fand überall Halt, die Haare waren stark und fest wie Schiffstaue, mit dicken Verfilzungen, Wirbeln und Knoten, die reichlich Möglichkeiten zur Bekletterung boten. Das Unangenehmste war der Geruch der filzigen Bü- schel, die hier schon seit Jahrtausenden ungewaschen vor sich hin wucherten, das Berühren des klebrigen Talgs und das generell sehr seltsame Gefühl, einen Kopf zu besteigen. Aufpassen mußte ich nur auf die Schuppen. Bolloggschuppen sind so groß wie Suppenteller, wiegen etwa ein Kilo pro Stück, und wenn sie in Form einer Schuppenlawine niedergehen, können sie einen mit in die Tiefe reißen.
Dachziegelartig geschichtet lagen sie auf den Locken, das Ziehen an einem falschen Haar konnte genügen, Hunderte von ihnen in Bewegung zu setzen. Zweimal gingen solche Schuppenlawinen auf mich nieder, bei der ersten konnte ich mich gerade noch unter eine fettverklebte Strähne retten, die zweite verfehlte mich nur um einige Meter. Aber ich kam gut voran, das Wetter war ausgezeichnet, kein Lüftchen regte sich, und Regen war auch nicht in Aussicht. Innerhalb einer Stunde hatte ich zwei Drittel des Weges hinter mir und machte eine kurze Pause auf einem Filzbüschel hoffnungslos verknoteten Bollogghaars.
Nach kurzer Rast stieg ich mit frischer Kraft weiter. Das Ohrläppchen des Bolloggs hing nur noch ein paar Dutzend Meter über mir, ein riesiger Überhang aus Fleisch. Ich stieg rechts daran vorbei, um direkt von der Seite in die Ohrmuschel einsteigen zu können. In Griffweite wuchs ein langes Haar direkt aus dem Ohr heraus, zwar kein appetitlicher Anblick, aber ein idealer Halt, um mich direkt in das Ohr hinein zu schwingen.
Beherzt griff ich danach, zog zweimal, um seine Festigkeit zu prüfen, und stieß mich dann mit den Füßen ab. Ich federte hoch wie ein Stabhochspringer.
Allerdings fing das Haar jetzt an, sich zu bewegen.
Anstatt direkt in das Ohr hinein zu schwingen, wurde ich von dem Haar hin und her gewedelt. Unter mir ging es etliche Kilometer in die Tiefe, meine Hände hatten wenig Halt an dem glatten Gewächs, lange würde das nicht gutgehen. Aber dann - als hätte es sich das Haar anders überlegt - wurde ich von ihm über die Fleischbrüstung in die Ohrmuschel hineingehoben.
Es war nämlich gar kein Haar, sondern der Fühler eines schwergewichtigen Bolloggflohs. Ich ließ sofort los und plumpste in die Ohrmuschel, was meine Situation aber nicht sonderlich verbesserte. Der riesige Floh stand zwischen mir und dem Eingang zum Ohr und rieb sich seine Vorderfüße wie Messer und Gabel vor der Mahlzeit.
Ich hatte gar keine Gelegenheit, in Panik zu geraten, ich mußte sofort handeln. Ich machte einen Ausfallschritt nach links, der Floh folgte mit seinem massigen Körper der Bewegung, aber ich pendelte sofort nach rechts und schlüpfte zwischen seinen Beinen unter ihm durch. Der Floh war zu schwer, um schnell genug zu reagieren, was mir Gelegenheit gab, ins Innere des Ohrs zu spurten.
Schwerfällig drehte sich das Rieseninsekt um und nahm mit großen, kraftvollen Sprüngen die Verfolgung auf. Wenige Meter vor mir war ein großer Tümpel, wohl voller Regenwasser, dunkelbraun und wenig einladend, aber ich hatte keinen Anlaß, wählerisch zu sein. Ich machte einen kühnen Kopfsprung in die finstere Brühe in der Hoffnung, daß Bolloggflöhe nicht schwimmen können.
Schwer zu beurteilen, ob das ein Fehler war oder nicht. Was den Bolloggfloh anging, war es anscheinend eine weise Entscheidung, denn der blieb am Rand des Tümpels wie angewurzelt stehen und machte keinerlei Anstalten, mir in die Brühe zu folgen. Im Gegenteil, er machte eine seltsame Bewegung, die wie ein bedauerndes Kopfschütteln aussah, dann drehte er sich um und spazierte hinaus ins Freie. Was mich anging, war es keine so weise Entscheidung, denn das vermeintliche Regenwasser war keins, sondern Bolloggohrenschmalz, eine Substanz, die sich an Lebensgefährlichkeit mit Sumpfwasser oder Treibsand durchaus messen kann.
Die ranzige Flüssigkeit umfaßte mich wie eine fettige Riesenhand und zog mich in die Tiefe. Wild schlug ich mit den Armen um mich, kein sehr überlegtes Handeln, aber mein wüstes
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