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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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irgendwie niederträchtig, wie ein ungebetener Gast, der sich durch die Hintertür hereinschleicht. Nicht daß ich etwas zu verbergen hätte, aber mir persönlich wäre es unangenehm, wenn jemand in meinem Kopf herumspazieren würde. Das Tageslicht drang nur noch sehr schwach hinter uns in den Gang hinein. 16 U schlurfte vor mir her und gab gelegentlich müde Erläuterungen im Stil eines Fremdenführers von sich, der das alles schon viel zu oft gesehen hat (»Über uns erhebt sich das mächtige Schläfenbein«).
    Ich mußte achtgeben, auf dem abschüssigen und vom Ohrenschmalz schlüpfrigen Boden nicht auszurutschen. Schon bald versperrte uns eine Wand, die aussah wie Pergamentpapier, den Durchgang.
    »Das ist das Trommelfell«, erläuterte 16 U. »Ich kenne ein Loch, da können wir durchschlüpfen.«
    Das Trommelfell des Bolloggohrs war tatsächlich durchlöchert wie ein Schweizer Käse, aber die meisten Löcher waren nur faustgroß. 16 U führte mich zu einem, das immerhin so groß wie ein Fußball war.
    »Das Trommelfell ist sehr dehnbar. Wir müssen uns einfach durchquetschen«, erläuterte sie.
    Anscheinend sind Ideen sehr elastisch, 16 U flutschte nur so durch das enge Loch, während es mir selbst nur mit heftigem Baucheinziehen und tätiger Hilfe der Idee gelang, mich durch die Öffnung zu zwängen. Wir befanden uns jetzt in einer großen Höhle, an deren hoher Decke sich etwas zu bewegen schien. Wegen der schlechten Lichtverhältnisse, die mittlerweile herrschten, war aber nur schwer auszumachen, was das war.
    »Das sind der Hammer, der Amboß und der Steigbügel des Ohrs. Frag mich nicht, warum die so heißen, aber sie spielen angeblich eine wichtige Rolle beim Hören.«
    Auf der anderen Seite der Höhle mußten wir uns durch eine weitere löchrige Membran zwängen (»Wir durchsteigen nun das sogenannte Schneckenfenster«), rutschten einen extrem abschüssigen Gang hinunter (»Wir rutschen jetzt einen abschüssigen Gang hinunter«) und stiegen dann eine Art Treppe hoch (»Wir betreten nunmehr die majestätische Schneckentreppe«).
    Es war mittlerweile komplett finster geworden, nur der bescheidene Schimmer von 16 Us Körper (wohl das matte Nachglimmen ihrer Idee) erleuchtete die Dunkelheit. Ich befand mich wieder einmal in labyrinthartigen Verhältnissen. Ich fragte mich, wie ich erneut in so eine Situation kommen konnte, die mich beunruhigend an die Episode mit dem Stollentroll erinnerte.
    Der Gang vor uns schien sich schneckenhausartig nach innen zu winden und wurde immer enger. Wir bewegten uns mittlerweile auf Händen und Füßen vorwärts.
    »Wir sind gleich da«, sagte 16 U und trug damit wenig zu meiner Beruhigung bei. Die Idee kroch in einen noch engeren Tunnel, der von unserem Gang abzweigte. An seinen Wänden zogen sich schleimige Kabel entlang, in vielen verschiedenen Farben. »Das sind Nervenfasern. Das hier ist der Gehörnervengang. Wir sind jetzt am Ende des Ohrs angelangt.« Ähnlich hoffnungsvolle Erläuterungen hatte auch der Stollentroll damals gemacht.
    Am Ende des Ganges war eine enge Öffnung, durch die mattes Licht hereinfiel. 16 U flutschte geübt hindurch. »Komm!« rief sie von draußen. Ich zwängte mich mühsam durch das Loch.
    Wir befanden uns jetzt in einem weiteren Gang, einem großen Tunnel, an dessen Wänden kleine Funken entlangsausten wie wildgewordene Wunderkerzen. Die Funken schienen Stimmen zu haben, Ideine, leise, aber deutlich vernehmbare Stimmchen, die flüsterten, murmelten, raunten oder kicherten, während sie an uns vorbeisausten. Manche waren größer, manche kleiner, manche weiß, andere rot oder grün.
    Sie kamen aus allen Richtungen, von hinten und vorne, von oben und unten, es war, als würde man im Zentrum eines Miniaturfeuerwerks stehen. Manchmal trafen sich zwei Funken, vermählten sich in einem blendenden Blitz und sausten zusammen quasselnd weiter in die Dunkelheit. Staunend blieb ich stehen, verrenkte meinen Kopf nach den Leuchtspuren und fragte mich, was das wohl sei. »Das sind Gedanken« sagte 16 U. »Wir befinden uns nun im Bollogg-Gehirn.«
    Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und
Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
    Bollogg-Gedanke, der: Im engeren Sinne jede vermittels des Denkprozesses aus der Sphäre der Anschauung und Empfindung eines -> Bolloggs in die des Begriffs, des Urteils und des Schlusses erhobene Vorstellung; im weiteren Sinn aber jede Bollogg-Vorstellung, deren Gegenstand

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