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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Gepaddel hielt mich wenigstens an der Oberfläche. Es brachte mich sogar ein bißchen näher an das gegen- überliegende Ufer des Schmalztümpels.
    Von dort ragte ein schwarzes Bündel fingerdicker Ohrhaare in die Flüssigkeit. Ich paddelte aus Leibeskräften, um es zu erreichen, wobei mir das Ohrenschmalz über dem Kopf zusammenschlug und in Nase, Augen und natürlich auch in die Ohren drang, was mich vorübergehend blind und taub machte. Dann verschluckte ich eine ordentliche Portion Schmalz. Das war das widerlichste Gefühl in meinem ganzen Leben.
    Vor Schreck und Ekel vergaß ich zu paddeln und sank noch tiefer in die warme weiche Masse. Nur eine Hand von mir ragte noch aus dem Tümpel heraus und tastete nach dem Haarbüschel. Meine letzte Bewegung war schon kein Greifen mehr, sondern eher ein Abschiedswinken - mich hatte alle Kraft verlassen.

    Jemand - oder irgend etwas, das war in meiner Situation schwer zu beurteilen - ergriff meine Hand. Es fühlte sich zumindest nicht an wie ein Flohfühler oder sonst etwas Insektenhaftes, also packte ich zu und ließ mich hochziehen. Ich hielt mich fest und strampelte mit den Füßen, bis sie auf festen Boden trafen. Auf allen vieren kroch ich aus dem Tümpel und rieb mir das Schmalz aus den Augen, um zu sehen, wer mir da das Leben gerettet hatte. Es war ein durchsichtiger Tropfen aus pulsierendem Licht, der schon auf den ersten Blick irgendwie deprimiert wirkte.

    »Mein Name ist 16 U. Ich bin eine Idee«, stellte sich die Gestalt mir vor.
    »Angenehm«, antwortete ich, »ich heiße Blaubär und bin ein Blaubär.«
    Einen Augenblick lang standen wir etwas hilflos herum und wußten beide nicht so recht, wie es weitergehen sollte, dann fing ich einfach an, das Ohrenschmalz aus meinem Pelz zu wringen.
    »Du hast wirklich Glück gehabt, daß ich zufällig in der Nähe war«, sagte die Idee. »Schon viele sind im Schmalztümpel ertrunken. Tückische Brühe.«
    »Du sagst es. Vielen Dank übrigens, ich verdanke dir mein Leben. Du hast was bei mir gut.«
    »Schon gut. Ich bin froh, daß ich mal zu was nütze bin. Ansonsten bin ich nämlich zu nichts zu gebrauchen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, ich bin zwar eine Idee, aber eine schlechte. Zuerst haben sie ein Riesentrara um mich gemacht, aber sie sind schließlich dahintergekommen, daß ich keine gute Idee bin. Dann lassen sie dich einfach fallen. Es gibt unzählige von uns, die durch die Gänge dieses Gehirns irren. Wir sind der Bodensatz der Gehirngesellschaft. Kannst du vielleicht eine schlechte Idee gebrauchen?«
    »Ich weiß nicht ... Ich möchte nur gerne wissen, wie ich möglichst schnell auf der anderen Seite des Kopfes wieder herauskomme.«
    »Dafür brauchst du keine Idee. Die hast du ja schon: ›Ich gehe auf die andere Seite des Gehirns.‹ Keine Ahnung, ob das eine gute Idee ist. Es ist nämlich verdammt schwer und gefährlich, von einer Gehirnhälfte zur anderen zu wechseln. Weißt du, wie viele Kilometer Gehirnwindungen es hier drin gibt?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Es müssen Millionen sein.«
    Das hielt ich für übertrieben, aber ich fing schon an zu begreifen, daß das alles nicht so einfach werden würde, wie ich es mir vorgestellt hatte.
    »Was du brauchst, ist ein Plan. Einen Plan von diesem Gehirn. Damit du dich nicht verläufst. Ich meine einen Plan von einem Planmacher. Du verstehst?«
    »Nein.«
    »Die Planmacher machen die Pläne im Gehirn. Solide Handwerker. Aber sehr eigen. Wenn du einen Schuh brauchst, gehst du zu einem Schuhmacher. Wenn du einen Plan brauchst, gehst du zu einem Planmacher. Ich kenne einen, er lebt hier ganz in der Nähe. Soll ich dich zu ihm bringen?«
    Ideen erhalten ihren Namen nach der Uhrzeit, in der sie entstanden sind, erzählte mir 16 U. Normalerweise sind die Namen viel länger, weil sie exakt bis auf die Sekunde die Geburtszeit angeben, also 23 U 46 M 12 S oder 13 U 32 M 55 S und so weiter, aber 16 U war tatsächlich genau auf die Sekunde um 16 Uhr geboren worden. Sie ging vor mir immer tiefer in den Gehörgang hinein.
    »Der Nachteil ist, daß viele hier den gleichen Namen haben, es werden ja praktisch jeden Tag zu jeder Sekunde neue Ideen geboren. Ich kenne fünfzig andere, die 16 U heißen. Und weißt du was? Keine von ihnen taugt was. Scheint keine besonders gute Uhrzeit für gute Ideen zu sein ...«
    Es ist mit einem dezent kriminellen Gefühl verbunden, wenn man einen Kopf durch ein Ohr betritt. Ich muß gestehen, daß ich mir dabei etwas unbehaglich vorkam,

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