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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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etwas dafür tun. Wenn ich Selsillen verdienen wollte, brauchte ich einen Job. Und wieder war es 16 U, die mir dabei behilflich war.
    »Hast du Phantasie?« fragte sie mich.
    Ich räumte ein, über eine begrenzte, aber ausreichende Einbildungskraft zu verfügen.
    »Das ist ein seltenes Talent. Mit Phantasie kann man hier drin eine Menge Selsillen machen. Du könntest Traumkomponist werden. Traumkomponisten werden immer gesucht.«
    Ein Bolloggkopf schläft die ganze Zeit, also muß er auch ununterbrochen träumen. Dicht hinter den Augen, so erklärte mir 16 U, sitzt im Bolloggkopf die Traumorgel, das Instrument, mit dem die Träume erzeugt werden. Die Traumorgel muß Tag und Nacht ohne Unterbrechung bedient werden, sonst erwacht der Bolloggkopf, was eine Katastrophe wäre, denn dann käme das ganze Gehirn durcheinander. Der Kopf würde versuchen zu gehen, zu essen oder sonst irgend etwas zu tun, wozu er seinen Körper brauchte, und das würde zu Kurzschlüssen der Nervenbahnen führen - und schlimmstenfalls zur Machtübernahme des Wahnsinns. Also mußte das Gehirn mit nicht abreißenden Träumen ruhiggehalten werden, eine Aufgabe, die über Jahrtausende zu einem gewissen Verschleiß von Traumkomponisten geführt hatte.
    Traumkomponist konnte eigentlich jeder werden, der sich dazu berufen fühlte, gute wie schlechte Ideen übten diesen Selsillenerwerb aus. Es mußte rund um die Uhr gearbeitet werden, daher wechselten sich die Komponisten in Schichten ab, und ein Job war eigentlich immer frei. In eine gemeinsame Gehirnkasse wurden von allen Gehirnbewohnern Selsillen eingezahlt, ähnlich einer Steuer. Daraus finanzierte man auch die Gehälter der Traumkomponisten. Es gab zehn Selsillen die Stunde, kein fürstliches Gehalt, aber immerhin ein Anfang.
    Die Traumorgel war natürlich kein richtiges Instrument, es war nur ein Name für einen großen bunten Knoten von Tausenden von Nervenenden in einem Hohlraum hinter dem Bolloggauge. Je nachdem, an welchem Nervenende man zog oder wie fest man es drückte, wurde ein anderes Traumbild im Gehirn des Bolloggs erzeugt. Es dauerte eine Weile, bis ich heraushatte, welche Bilder von welchen Enden erzeugt wurden, aber durch dauernde Übung hatte ich es irgendwann im Griff. Das Bild erschien auf dem Hintergrund des Bolloggauges, der eine der Wände des Orgelraums bildete. Die meisten Kollegen drückten und zerrten einfach wahllos an den Nervenenden herum, bis die Schicht vorbei war, dadurch entstanden die üblichen wirren Träume, die fast jeder hat: zusammenhanglose Erinnerungsfetzen, Bilder aus alten Zeiten, wahllos durcheinander gewürfelt, bizarre Alpdrücke. Mich reizte die Möglichkeit, die scheinbar unzusammenhängenden Bilder zu einem sinnvollen Ganzen zu komponieren, den Träumen Handlungen zu verleihen, Geschichten zu konstruieren, die mehr Sinn machten, als davon zu träumen, daß man vergessen hatte, seine Hose anzuziehen. Wenn man etwa - ein ganz simples Beispiel - das Bild eines Löwen mit dem einer Antilope kreuzte, ergab sich daraus eine minutenlange Verfolgungsjagd. Das war schon spannender, als einfach eine Reihe von beliebigen Bildern ablaufen zu lassen, wie es die anderen Komponisten taten.
    Im Gehirn des Bolloggs waren unglaubliche Eindrücke aus vorsintflutlicher Zeit abgespeichert. Bewegte Bilder von riesigen Echsen, die sich bekämpften, von Zyklopen, die mit Bergen Fußball spielten, von Vulkanausbrüchen, Erdbeben, Überschwemmungen, Meteoritenschauern, Urzeitgewittern, Sturmfluten, ausgestorbenen Ungeheuern und Kriegen mit anderen Riesenclans. Der Bollogg muß so groß gewesen sein, daß sein Kopf fast ins Weltall ragte, er konnte jeden einzelnen Krater auf dem Mond unterscheiden, den Mars und den Saturn sehen, ja, unser ganzes Sonnensystem überblicken.
    Es gab Bilder aus der Kindheit und Jugend des Zyklopen, als er noch kleiner war und auf Mammuts ritt und mit Riesengorillas rang. Er warf mit Felsbrocken, die so groß wie Häuser waren, nach anderen Jungzyklopen, die darüber nur lachten. Er hatte ganz Zamonien mehrmals durchwandert und herrliche Landschaftsaufnahmen davon in seiner Erinnerung gespeichert, er hatte fast die ganze Entstehungsgeschichte Zamoniens erlebt, mit all seinen Kreaturen, auch den ausgestorbenen. Saurier liefen zu seinen Füßen wie Ratten, Vulkane sahen aus seiner Perspektive wie niedliche Suppentöpfe aus. Er konnte sich in einer Gewitterwolke die Haare waschen und bei Bedarf einen Heineren Bergsee austrinken. Grandioseres Material

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