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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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meinen Skrupeln, meine Kunst zu verkaufen, versuchte ich den Ideen für ihr Eintrittsgeld jetzt immer ausgetüfteitere, raffiniertere Traumgenüsse zu bieten. Die Ideen standen in langen Schlangen in den Gehirnwindungen, um eine meiner Vorstellungen mitzubekommen. Meine Träume waren das Thema im Bolloggkopf.
    16 U kassierte den Eintritt.
    Am beliebtesten waren die Inszenierungen mit großen Katastrophen, und da hatten die Bolloggerinnerungen einiges zu bieten. Der Bollogg hatte in seiner langen Lebenszeit jede nur erdenkliche Naturkatastrophe erlebt, vom Asteroideneinfall bis zur Sintflut, und das aus einer einzigartigen Perspektive. Wer hat schon ein Finsterberggewitter von oben gesehen, oder eine kilometerhohe Flutwelle? Wer konnte jemals in einen tätigen Vulkan hineinblickend Wer konnte durch einen Meteoritenschauer gehen wie durch einen lauen Sommerregen? Das waren Bilder, die nur eine Riesenbolloggerinnerung zu bieten hatte.
    Auch beschauliche Naturfilme waren gern gesehen, grasende Steppeneinhörner, die Paarung der Seeschlangen im Frö- stelgrund (in der Tat ein erhebender Anblick!), Zyklopen auf Waljagd, mit bloßen Händen gegen den Tyrannowalfisch Rex.
    Offenbar war der Zyklop im zamonischen Urmeer auf Tauchgang gewesen und hatte dabei einzigartige Bilder der damaligen Unterwasserwelt gespeichert. Glühende Riesenquallen mit zahllosen durchsichtigen Tentakeln, die mit monströsen Tintenfischen kämpften, ganze Schwärme von Urhaien mit leuchtenden Zähnen, versunkene Kontinente auf dem Meeresgrund, Geisterstädte mit muschelüberwucherten Hochhäusern, in denen jetzt monströse Krebse und doppelköpfige Muränen wohnten. Der Bollogg hatte gespenstische Schiffsfriedhöfe gesehen, brodelnde Unterwasservulkane, Fische, die im Innern zu brennen schienen, mit vogelähnlichen Köpfen, riesige Mantas mit schmetterlingsbunten Schwingen, Spiralenfische aus Licht.
    Immer tiefer war er getaucht, in schwarze Tiefseespalten, in denen Wesen aus Lava lebten, die atemberaubende Wasserballette tanzten. Er war durch die Korallenwälder der zamonischen Riviera getaucht, zwischen türkisen, kobaltblauen und roten Bäumen aus Muschelkalk, über Wiesen aus gelbem Feuertang, in denen ganze Herden von Seepferden grasten, so groß wie Einhörner.
    Das Publikum war hingerissen. Wie ein wildgewordener Konzertpianist saß ich an der Traumorgel und zog alle Register. Manchmal improvisierte ich einfach, ließ dabei aber nicht wahllose Bilderfolgen auf dem Bolloggauge vorüberziehen, sondern folgte einer Farbdramaturgie, rief nur Bilder in Gelb tönen hervor, fließende Lavaströme, flammende Sonnenaufgänge, sich öffnende Tiefseebutterblumen, wogenden Feuertang, um dann zu Rottönen überzugehen, explodierende Meteore, Klatschmohnwiesen, gallopierende Urpferde mit feuerroten Mähnen, all dies untermalt mit grandioser Musik.
    Zugegeben, ich näherte mich mit diesen schwelgerischen Kompositionen dem Kitsch, aber das Material war einfach zu verführerisch.
    Und dem Publikum gefiel es. Als die zwei Monate vorüber waren, hatte ich zwölftausendfünfhundert Selsillen beisammen.
    »Loa! Uhrenvergleich!« kommandierte der Planmacher. Ein Würfel. Ein Ball. Ein Trapezoeder.
    »Sechzehn Uhr!« sagte 16 U.
    »Neunzehn Uhr siebenunddreißig!« rief ich.
    »Viertel vor awölf!« knisterte der Planmacher. Wieder ein Würfel.
    Die Karte, die er angefertigt hatte, war wirklich jede einzelne Selsille wert. Sie zeigte nicht nur präzise jede Gehirnwindung, die wichtigsten Abkürzungen und Sackgassen, sie war auch noch wunderschön gefertigt.
    Mit dunkelroter Tinte (Bollogblut?) auf feinste Hirnhaut gedruckt lag sie in der Hand wie eine Schatzkarte. Ein Meisterwerk der Orientierungserleichterung. Damit würde ich ohne Irrwege den Ausgang am anderen Ohr in kürzester Zeit finden. Die Karte machte auch deutlich, daß ich ohne sie vielleicht Jahre dafür gebraucht hätte.
    »Du muat nur der gepünktelten Linie folgen«, erläuterte der Planmacher. »Laa dich nicht beirren, von irgendeiner achlechten Idee au einer Abküraung überreden oder aelber eine au nehmen. Das Leben iat ein gewundener Pfad! Manchmal mua man eben Umwege gehen. Das iat jedenfalla meine beacheidene Meinung.«
    Ich stellte den Sack mit den Selsillen auf den Boden und bedankte mich artig.
    »Uhrenvergleich!« schrie der Planmacher. Er verformte sich in einen Ball.
    »Sechzehn Uhr!« murmelte 16 U.
    »Siebzehn Uhr und achtunddreißig!« rief ich.
    »Feierabend! Höchate aeit, euch

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