Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
Vom Netzwerk:
zur Komposition großartiger Träume konnte man sich nicht wünschen.
    Manche Nervenenden erzeugten keine Bilder, sondern weckten oder verstärkten Gefühle wie Freude, Trauer, Anspannung oder Furcht. Bald kannte ich alle Register im Schlaf, ich brauchte überhaupt nicht mehr hinzusehen und wußte genau, wieviel Druck welches Bild oder welches Gefühl hervorrufen würde.
    Ich entdeckte, daß gewisse Nervenenden Musik erzeugten, akustische Erinnerung an Bolloggmusik, die der Riese in seiner Jugend gehört haben mußte. Besonders feinsinnige Musik war das nicht, wie man sich denken kann, aber sie hatte ihren eigenen Reiz und paßte hervorragend zu der Monumentalität der Bilder. Jetzt konnte ich die Träume mit passenden Melodien und Rhythmen unterlegen.

    Je nachdem, wie ich diese Bilder, Gefühle und Melodien kombinierte, entfalteten sich die Träume. Ich konnte Glücksträume erzeugen, Spannungsträume und sogar Alpträume. Meistens saß 16 U dabei und sah mir bei meiner Arbeit zu. Zuerst komponierte ich nur kleine, aber wohlkalkulierte Bildkompositionen und Handlungsabläufe, die ich mit passender Musik unterlegte und zu einem Höhepunkt führte. Ich erweckte zum Beispiel das Bild eines Raubsauriers, kombinierte es mit dem eines Gazellenzebras, und schon begann die aufregendste Verfolgungsjagd. Ein explodierender Vulkan im Hintergrund? Pulsierende Trommelmusik dazu, erzeugt von Zyklopen, die ganze Urwaldeichen im Takt gegeneinanderschlugen? Bitteschön. Und wenn ein glücklicher Ausgang verlangt wurde, ließ ich sogar das Gazellenzebra entkommen, indem ich sein Nervenende fester drückte, wodurch es schneller lief.
    Mit der Zeit wurden meine Traumkompositionen länger und komplexer, fast symphonisch.
    Einmal inszenierte ich einen handlungsreichen Spannungstraum, der sich aus seinen Erlebnissen in den zehntausendjährigen Zyklopenkriegen speiste, Keulenschlachten in urzeitlichen Landschaften, unter denen ganz Zamonien bebte. Geschickt schnitt ich Szenen zusammen, die weit auseinanderlagen: die erste Handgreiflichkeit zwischen zwei Urzyklopen, die den Krieg auslöste, die daraus resultierenden Massenschlägereien bis hin zur entscheidenden Keulenschlacht im Hutzengebirge, an der Tausende von Zyklopen teilgenommen hatten. Mit jähen Schnitten überbrückte ich Jahrhunderte, in wenigen Minuten konzentrierte ich Jahrtausende. So etwas bringen nur die kühnsten Komponisten fertig.
    Ich arrangierte ein paar Alpträume, die ich aus den Ängsten des Riesen zusammensetzte, welche sich hauptsächlich auf kleinwüchsiges, krabbelndes Getier bezogen, für einen Bollogg eigentlich alle Lebewesen außer ihm selbst. Aber das ließ ich bald wieder bleiben, weil der Kopf dadurch sehr unruhig wurde, er fing an zu schnaufen und zu schnarchen, so daß ich fürchtete, er würde vor lauter Angst erwachen. Nach und nach sprach es sich im Gehirn herum, daß meine Traumkompositionen eine eigene Qualität hatten und es sich lohnte, sie anzusehen. So füllte sich der Orgelraum bei meinen Schichten zusehends mit Zuschauern, was mich noch mehr anstachelte, Träume von höchster Qualität zu erzeugen. Wenn ich nicht selber die Orgel bediente, beobachtete ich die anderen Kollegen und versuchte aus ihren Fehlern zu lernen.
    Nach ein paar Wochen fragte mich 16 U, wie viele Selsillen ich zusammen hätte. Ich zählte nach. Es waren weniger als dreihundert. Schließlich brauchte ich den Hauptteil von ihnen für den Eigenbedarf. Ich mußte ja etwas essen, und die einzige Nahrung, die es im Bolloggkopf gab, waren nun mal Selsillen. Außerdem schmeckten sie gar nicht so übel. »So kommst du in zehn Jahren hier nicht raus«, tadelte 16 U meine Geschäftsuntüchtigkeit.
    Das war richtig. Mit den paar Selsillen, die das Komponieren einbrachte, bekäme ich nie die Zwölftausendfünfhundert für den Planmacher zusammen.
    »Du könntest Eintritt verlangen«, meinte 16 U.
    »Eintritt? Wofür?«
    »Eintritt für deine Träume. Die anderen Ideen sind ganz verrückt danach.«
    Das war etwas, worauf ich nicht gekommen wäre. Das Traumkomponieren war für mich Kunst geworden, etwas Höheres als schnöder Selsillenerwerb. Für Kunst verlangte man keine Bezahlung! Empört wies ich den Vorschlag von mir.
    »Du nimmst doch auch die zehn Selsillen die Stunde.«
    Allerdings. Das war ein Widerspruch.
    »Verlang von jedem eine Selsille Eintritt, und du hast die Zwölftausendfünfhundert ruckzuck beisammen.«
    Die Vorstellungen waren immer ausverkauft. Angestachelt von

Weitere Kostenlose Bücher