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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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enttäuscht von dem, was die Gladiatoren selbst zum besten gaben. Ich hielt es für überheblich, daher wagte ich auch nicht, es Chemluth mitzuteilen, aber ich war tatsächlich der Auffassung, daß ich das, was ich an diesem Abend gesehen hatte, genauso gut konnte. Wenn nicht sogar besser.
    Der Gladiatorenkampf ging mir tagelang nicht aus dem Kopf. Ich war unkonzentriert bei der Arbeit, zur Freude unserer Kundschaft, denn ich belegte die Pizzen viel zu großzügig. Und ich war zunehmend unzufrieden mit meiner Beschäftigung als Pizzabeleger. Schön, ich verdiente gutes Geld, man war im Warmen und hatte immer reichlich zu essen, aber das konnte ja wohl noch nicht die letzte Sprosse meiner Karriereleiter sein.
    Die Kundschaft drängelte an diesem Abend besonders zahlreich ins Lokal, wir mußten im Akkord arbeiten, um die Nachfrage zu stillen, es war schwül und stickig, die Öfen wurden befeuert bis zur Weißglut, uns lief der Schweiß in Strömen.
    Meine Gedanken aber gingen an der frischen Luft spazieren, sie wanderten durch die Straßen von Atlantis zum Megather, wieder zurück zum Abend des Gladiatorenduells. Ich analysierte im Rückblick alle Taktiken und Fehler der Gladiatoren, ging im Kopf noch einmal den ganzen Kampf durch, dachte mir eigene Lügengeschichten aus und belegte dabei die Pizzen noch großzügiger als zuvor. Ich war derart abwesend, daß ich gar nicht bemerkt hatte, daß sich Zakob Yoa vor mir aufgebaut hatte und mich beschimpfte. Er ruderte aufgeregt mit seinen vier Armen, hielt mir einen Kochlöffel unter die Nase und beschuldigte mich, ihn zu ruinieren. Er hatte das schon öfter gemacht, ohne daß ich mich daran gekratzt hatte. Diesmal aber warf ich ihm die Schürze vor die Füße und verließ das Lokal. Chemluth tat es mir gleich, froh, eine Gelegenheit gefunden zu haben, die Arbeit niederzulegen.
    Ich war auf dem Weg zum Ausgang, als mir plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Ich ruderte einen Augenblick mit den Armen in der Luft herum, dann lag ich auch schon auf dem Rücken. Der Boden vibrierte so stark, daß alle Tische im Lokal durch die Gegend tanzten. Der Putz kam in dicken Fladen von der Decke, die Gäste und das Personal schrien in Panik durcheinander. Chemluth zerrte mich unter einen Tisch, den wir dann gemeinsam an den Beinen festhielten. Es rumpelte noch eine Weile weiter, immer mehr Gäste drängelten sich unter unseren Tisch. Dann hörte das Rumpeln schlagartig auf. Einer der Pizza- öfen war geplatzt, ein Strom von rotglühenden Kohlestücken ergoß sich ins Lokal. Überall lagen abgesprungener Putz, zerbrochenes Geschirr und Glasscherben. Das war das stärkste Beben seit meiner Ankunft in Atlantis.
    Wir liefen eine Weile auf der Ilstatna auf und ab, um uns abzuregen.
    »Kein Problem, ga!« sagte Chemluth. »Wir können immer noch auf die Straße. Ich singe, du tanzt.«
    Die Geldversorgung war im Moment nicht das Problem. Wir hatten ein wenig zurückgelegt, die Miete war bezahlt, der Vorratsschrank gefüllt. Und, wie schon gesagt, Arbeit gab es immer in Atlantis. Viel schlimmer fand ich die Tatsache, daß es bis zum nächsten Lügenduell noch vier Tage dauerte. Ich konnte es kaum abwarten.
    In den nächsten zwei Monaten jobbten wir als Fischschuppenabkratzer im Hafen, Botenjungs und wandelnde Litfaßsäulen, als Gurkensortierer und als Essigrührer in der Senffabrik, aber ich ließ kein Lügenduell aus. Selbender Sinngh lieferte ein paar seiner besten Kampfe, ich war einer seiner größten Verehrer geworden.
    Aber nach sieben Monaten verlor er seinen Titel: Wir waren wieder einmal Mittwoch abends im Megather, knabberten an unseren Maiskolben und warteten auf den Hauptkampf. Selbender Sinngh war zu einer festen Größe geworden, niemand stand mehr als acht oder zehn Runden mit ihm durch, es war eine Freude, seinen fairen und taktisch klugen Lügenduellen beizuwohnen. Chemluth trug ein Hemd, auf das er das Gladiatorenzeichen Selbenders gemalt hatte, wir skandierten zusammen mit den Blutschinken das Lied seiner Fangemeinde »Sinngh! Sinngh! Selbender Sinngh! Sinngh! Sinngh! Selbender Sinngh!«
    Es war nicht sehr originell, aber einprägsam.
    Den heutigen Herausforderer kannte niemand, man wußte nur, daß er sich Lord Nelloz nannte - vermutlich ein Künstlername. Sinngh würde es ihm schon besorgen, da waren wir sicher und hatten schon ein paar bescheidene Pyras auf ihn gesetzt.
    Die Wetteinnahmen waren in der letzten Zeit ein kleiner, aber stabiler Bestandteil

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