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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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verscherzte: Er erzählte dieselbe Geschichte noch mal. Aus dem Finsterbergfall wurde ein Fhernhachenfall, aus mir wurde er, und selbst die Pointe war nur wenig verfremdet. Zwei Punkte, eine gerechte Strafe, wie ich fand.

    Runde 97
    Der Große Wald, meine geträumte Liebesgeschichte, das Spinnennetz, das Marathonrennen mit der Waldspinnenhexe. Das war unmöglich zu schlagen, und Fhakir wußte es. Während meines Vertrags erschien auf seiner Stirn, mit bloßem Auge kaum zu erkennen, eine winzige Schweißperle. Gäbe es für Schweißperlen Gewichtsklassen, so würde dieser Tropfen sicher im Fliegengewichtsbereich rangieren. Sie war kleiner als ein halbiertes Staubkorn, vielleicht nur ein einziges Wassermolekül, womöglich sogar die kleinste Schweißperle in der gesamten Geschichte des Transpirierens, aber ich konnte sie sehen, und ich war sicher, Nussram würde sie spüren, als sei sie so groß und schwer wie ein ausgewachsener Nachtmahr.
    Die nächste Geschichte von ihm war daher nicht nur inhaltlich dünn, zum ersten Mal durchzitterte eine leise Schwingung von Unsicherheit seinen Vortrag. Das machte sich auf der Skala bemerkbar: Neun Punkte für mich, vier für meinen Gegner.

    Runde 98
    Mein Sturz durch die Dimensionen erzeugte verblüfftes Stöhnen über die Kühnheit meiner Lügen, dabei war es die Wahrheit. Das war, gemessen am normalen Standard von Lügengeschichten, schon fast experimentell, geradezu abstrakt, revolutionär und avantgardistisch. Mimisch und gestisch stellte ich den Zustand der Saloppen Katatonie dar, ich beschrieb eindrucksvoll die Weiten des Universums, die Schönheit des Pferdekopfnebels, die bizarren Teppichstraßen der 2364. Dimension. Mein Rücksturz zur Erde, mein im wahrsten Sinne des Wortes unmögliches Auftauchen in dem Dimensionsloch, in dem ich gestartet war - allein die Kühnheit dieser Behauptung war ein lügenstrategisch unerhörtes Wagnis - aber es wurde vom aufgeweckten Publikum mit 9,5 Punkten belohnt.
    Auf Fhakirs Stirn stand jetzt eine kleine Armee von Schweiß- perlen, die man zumindest aus der ersten Reihe auch im Publikum wahrnehmen konnte. Er setzte zu seiner nächsten Geschichte an, aber just beim ersten Satz kollerte eine davon seine Stirn hinunter und blieb wie ein winziger abgestürzter Bergsteiger an seiner linken Augenbraue hängen. Nussram wollte fortfahren, aber nun ging gleich eine ganze Lawine von Perlen auf sein Gesicht herab. Die salzigen Tropfen liefen in seine Augen, er blinzelte, wagte aber nicht, den Schweiß abzuwischen, um sich keine Blöße zu geben. Zum ersten Mal in seiner ganzen Laufbahn als Lügengladiator verhaspelte er sich, fing noch einmal von vorne an, verlor wieder den Faden und stockte schließlich mitten in der Geschichte. Der Schweiß lief ihm in Strömen in die Gladiatorenrobe.
    Das Publikum war völlig baff. So etwas war noch keinem Lügengladiator widerfahren, nicht einmal dem unerfahrensten Lehrling. Es gab, auch dies erstmalig in der Geschichte der Lügengladiatoren, überhaupt keine Reaktion. Nur tödliches Schweigen. Null Punkte.

    Runde 99
    Mein beschwerlicher Weg durch die Süße Wüste trieb nicht nur Nussram, sondern auch dem Publikum zusätzlichen Schweiß auf die Stirn. Ich gab eine eindringliche Schilderung der Lachkrämpfe unter Gimpeinfluß, die sich auf die Zuschauer übertrugen. Die Schilderungen des Scharach il Allah, der Zähmung von Anagrom Ataf und die Beschreibung des Lebens in einer halbstabilen Fata Morgana packte die Zuhörer. Letztlich setzte ich auch noch den Tornado obendrauf mit seiner Stadt der alten Männer und dem glücklichen Ende des Fluchtversuchs.
    Tosender Applaus, zehn Punkte, mein höchster Wert seit längerer Zeit.
    Jetzt war es soweit: Mein Repertoire war endgültig erschöpft. Die Episode mit dem Bolloggkopf konnte ich nicht mehr erzählen. Das Aufnehmen des Bolloggkopfes hatte man ja von Atlantis aus beobachten können, also hätte ich mich selbst verraten. Näher an das Ende aller Phantasie bin ich nie wieder gekommen.
    Wenn Fhakir nur noch den Schatten einer Idee hatte, würde er triumphieren. Die läppischste, ausgewrungenste Idee, die kleinste Punktzahl würde genügen, um mich verlieren zu lassen.
    Er stand auf und holte zu einem dramatischen Armschwung aus, wie er das schon mehrfach in diesem Duell getan hatte, wenn er sich aus einem Formtief zu neuen Höhen emporschwang.
    »Ich habe etwas sehr Ungewöhnliches zu berichten«, sagte er nicht ohne Pathos. »Etwas Unerhörtes, das kein

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