Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
mich an.
»Nein«, sagte ich.
Der Yeti war völlig baff. Widerworte war er nicht gewohnt. Er rief einen zweiten Yeti zur Unterstützung herbei. »Weitermachen!« befahl der zweite Yeti.
»Nein!« Ich blieb stur.
Die beiden Yetis verstanden die Welt nicht mehr. Sie stemmten die Fäuste in die Hüften und gaben schnaufende Geräusche der Entrüstung von sich.
»Wir bringen ihn zum Zamomin«, entschied einer von ihnen schließlich.
Zamomin. Dieses Wort hatte ich seit langer Zeit nicht mehr gehört.
Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder.
Dnseinsformen und Phänomene Znmaniens
und Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
Zamomin, das: Legendäres Element, welches angeblich denken kann. Seit Jahrhunderten versuchen die Alchimisten Zamoniens etwas herzustellen, das sie den »Stein der Weisen« oder das »Zamomin« nennen. Von diesem Stein erhoffen sie sich nichts weniger als eine Rezeptur für die Unsterblichkeit sowie die Antworten auf alle noch offenen Fragen. Im achten Jahrhundert Zamoniens gelang dem legendären Alchimisten Zoltepp Zann die Herstellung eines Steines, der tatsächlich denken konnte, aber leider nur auf dem Niveau eines Heideschafs. Aus Verärgerung auch über die Tatsache, daß bei der Herstellung des Zamomins mehrere Tonnen Gold vergeudet wurden, soll, der Legende nach, Zoltepp Zaan den Stein in den Treibsand von Unbiskant geschleudert haben.
Die Yetis schleppten mich durch die Eingeweide der Moloch, endlose, rostige Korridore entlang, bis wir zu einer Eisentür kamen, die von drei bis an die Zähne bewaffneten Yetis bewacht wurde. Sie waren in schwarze Trollfelle gekleidet, trugen schwere Eisenhelme und waren sicher noch einen Kopf größer als die, die mich herbeigeschleppt hatten. »Wir müssen zum Zamomin«, sagte der Yeti, der mich bei der Schulter gepackt hatte. »Dieser Bär verweigert die Arbeit in der Ofenhölle.«
»Das ist ungewöhnlich«, sagte einer der Wachyetis.
»Das ist überaus ungewöhnlich«, sagte ein anderer.
»Das ist noch nie vorgekommen«, sagte der dritte.
Alle dreier Kräfte waren nötig, um die tresorähnliche Eisentür aufzuwuchten. Sie schubsten mich in einen großen rostigen Raum, blieben selber aber draußen. Dann warfen sie die Tür hinter mir zu.
»Du hast die Arbeit verweigert?« sagte jemand.
Diese Stimme hatte ich schon zweimal in meinem Leben gehört. Zum ersten Mal vor vielen Jahren, als die Moloch an meinem Floß vorbeizog. Und kürzlich im Hafen, bevor man mir den Sack überstülpte. Woher wußte die Stimme, daß ich die Arbeit verweigert hattet Niemand hatte etwas gesagt. Ich selbst schon gar nicht.
»Ich weiß alles«, sagte die Stimme.
Ich sah mich in dem Raum um. Er war fast leer, bis auf eine kleine Säule in der Mitte, auf der sich ein Glassturz befand. Unter dem Glas lag etwas, das aussah wie ein Klumpen Dreck, der die Form eines winzigen Gehirns hatte. Wollte man mich einschüchtern? Was sollte dieser Dreckklumpen? Woher kam die Stimmet
»Alleine für das Wort ›Dreckklumpen‹ könnte ich dich unter der gesamten Moloch kielholen lassen, aber ich rechne dir deine Unwissenheit an, in meiner unermeßlichen Gnade! Ich bin kein Dreckklumpen! Ich bin das Zamomin!«
»Angenehm. Blaubär.«
Jetzt hatte ich es begriffen. Dieser kleine Klumpen unter dem Glas war das seltene Element Zamomin, es konnte tatsächlich denken und sprach mit seiner Stimme in meinem Kopf. Stimmen im Kopf war ich gewohnt, daher war ich auch nur mäßig beeindruckt.
»Kommen wir zur Sache. Wie ich höre - und ich höre alles, was an Bord meines Schiffes gedacht wird! -, hast du die Arbeit niedergelegt, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Was hast du dir dabei gedacht?«
»Nun, zunächst möchte ich einmal darauf hinweisen, daß ich nicht aus freien Stücken hier an Bord bin. Ich ...«
» Na und? Meinst du, da würdest du eine Ausnahme machen? Niemand ist aus freien Stücken an Bord der Moloch! Niemand - außer mir!«
Ich hatte also richtig getippt. Die Moloch war ein Sklavenschiff.
»Genau. Und du bist nichts anderes als ein weiterer unbedeutender Bestandteil dieses Sklavenschiffes! Nicht mehr wert als ein Schräubchen im Getriebe, als ein Pinselstrich Rostschutzfarbe! Du bist ein Teil der Moloch geworden, und als solcher hast du zu funktionieren!
Und jetzt paß mal auf, mein Kleiner, damit du weißt, wie es
hier läuft, werde ich dir eine kleine Geschichte erzählen, die Geschichte, wie die Moloch entstanden ist. Hör aufmerksam zu, es ist
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