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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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gestülpt. Der Sack wurde zugebunden, dann trug man mich davon. So überraschend, schnell und nichts Gutes verheißend endete mein Leben in Atlantis.

13.
    Mein Leben
    auf der
    Moloch

D as wenige, was ich zunächst von der Moloch wahrnehmen konnte, war ihr Geruch. Auch durch den dicken Sack, in den ich eingeschnürt war, drang diese Mischung aus Maschinenöl und Eisenrost, aus Schlotqualm und Kohlenstaub, die mir die Moloch damals in meinem dritten Leben schon Tage im voraus angekündigt hatte. Dazu das vertraute Geräusch, das sie selbst im Stillstand erzeugte, das gleichmäßige Stampfen der Riesenkolben, das mannigfache Klopfen und Hämmern der Gestalten, die überall mit irgendwelchen Werkzeugen an ihr arbeiteten, das Schnaufen der Maschinen in ihrem eisernen Bauch.
    Dann verstärkten sich die Geräusche. Heftiger wurde das Stoßen der Kolben, dröhnend setzten sich die Schiffsschrauben in Gang, überall pfiffen die Dampfventile und knirschte Metall auf Metall, ein Riese aus Eisen erwachte aus dem Schlaf.
    Die Moloch setzte sich in Bewegung.
    Ich glaubte mittlerweile, man hätte mich in dem Sack vergessen. Ich hatte schon mehrere Versuche gemacht, mich daraus zu befreien, aber er war anscheinend aus extrem widerstandsfähigem Leder oder einem ähnlich strapazierbaren Material.
    Außerdem hatte man ihn offensichtlich ringsum mit einem Tau zusammengeschnürt, was die Bewegungsmöglichkeiten sehr einschränkte. Die ganze Art der Behandlung ließ wenig Grund zu der Annahme, daß man Erfreuliches mit mir vorhatte. Ich verfluchte mich dafür, daß ich dem Stollentroll ein weiteres Mal auf den Leim gegangen war.
    Langsam wurde die Luft knapp. Das heißt, sie blieb zwar im Sack, wurde aber immer verbrauchter. Mit jedem Atemzug verheizte ich ein bißchen mehr von ihrer lebensspendenden Wirkung, also teilte ich sie ein: Nur noch ein Atemzug pro Minute.
    Hhpf. Eine Minute.
    Hmpf. Eine Minute.
    Hmpf. Eine Minute.
    Hmpf. Eine Minute.
    Hmpf. Eine Minute.
    Hmpf. Eine Minute.
    Hmpf. Eine Minute.
    Das Dröhnen und Stampfen der Moloch hielt an, ich spürte leichten Seegang, wir mußten uns mittlerweile längst auf dem Meer befinden.
    Vielleicht sollte ich mich ein bißchen bemerkbar machen. Ich stöhnte und grunzte und wälzte mich mit dem Sack umher, soweit das möglich war, aber nichts geschah. Ich verhielt mich lieber wieder ruhig, das verbrauchte weniger Atemluft.
    Hmpf. Eine Minute. 
    Hmpf. Eine Minute. 
    Hmpf. Eine Minute.
    Nach einer Stunde - ich hatte sechzigmal geatmet, also mußte eine Stunde vergangen sein - gab ich noch mal Lebenszeichen von mir, ich rief um Hilfe und rollte mich hin und her, aber nichts geschah. Ich beschloß, nur noch alle zwei Minuten zu atmen.

    Hmpf. Zwei Minuten. 
    Hmpf. Zwei Minuten.
    Hmpf. Zwei Minuten.
    Nach einer weiteren Stunde - ich hatte dreißigmal geatmet - bekam ich es langsam mit der Angst. Vielleicht hatte man mich in den Sack gesteckt, um mich zu ersticken?
    Die Luft hatte langsam die Zähigkeit von abgestandenem Brei, so mühsam mußte ich sie hinabwürgen. Ab jetzt wurde nur noch alle drei Minuten geatmet.
    Hmpf. Drei Minuten. 
    Hmpf. Drei Minuten. 
    Hmpf. Drei Minuten.
    Nach der dritten Stunde (zwanzigmal atmen) verfiel ich in einen Zustand, der der Saloppen Katatonie nicht unähnlich war. Mir war alles vollkommen gleichgültig geworden, der Sauerstoffmangel in meinem Gehirn gaukelte mir seltsame Halluzinationen vor. Winzige Elfen bevölkerten den Sack und kitzelten mich an den Nasenlöchern und krochen in meine Ohren. Ich rief, sie sollten mich in Ruhe lassen. Die Elfen gingen dadurch nicht weg, aber ich hörte eine Stimme sagen:
    »He, den haben wir fast vergessen!«
    Der Sack wurde geöffnet, Luft strömte herein, und ich war immer noch so benommen, daß ich tatsächlich einen ganzen Schwärm Elfen durch die Öffnung hinausflattern sah.
    Das nächste, was ich sehen konnte, war eine weitere Schwärze, die Schwärze des ewigen Qualms, der die Moloch einhüllte. Es sollte einige Tage dauern, bis ich mich an diesen allgegenwärtigen Ruß wenigstens einigermaßen gewöhnt hatte. Man befand sich an Bord des Eisenschiffes ständig in einem feinen Nebel aus Kohlenstaub. Nie konnte man das Deck im Ganzen sehen, sondern immer nur die Teile davon, die der Qualm gerade gnädigerweise freigab.
    Man sah ein paar Quadratmeter des teerschwarzen Decks, einen der rostigen Schlote oder mit Glück sogar ein Stück des Himmels, aber dann kam eine neue Rußwolke und hüllte alles wieder

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