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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Maschinensklaverei. Der stampfende Rhythmus der Moloch wurde zum Takt meines Lebens, ich wurde selber ein Teil der Maschine, wie alle anderen. Die einzigen Lichtblicke waren die wenigen Stunden, in denen wir in den Hängematten Kraft tanken konnten, und die Aussicht auf einen Teller Suppe und einen Krug Wasser. Die meisten Aufseher waren Yetis oder Wolpertinger, aber auch sie machten einen abgestumpften Eindruck. Sie schienen keine besonderen Vorzüge aus ihrer gehobenen Stellung zu genießen, sie packten überall mit an, wo es nötig war, verrichteten schwerste körperliche Tätigkeiten und waren sich nicht zu schade dafür, auch mal die Schaufel zu schwingen. Alle dienten den Öfen, die Öfen dienten den Motoren, die Motoren dienten den Schiffsschrauben, die Schrauben dienten der Moloch. Etwas anderes gab es nicht. Ein Schiff, das sich selbst diente. Das sinnloseste Vehikel, das man sich vorstellen kann.
    Ich konnte beinahe zusehen, wie sich meine Muskeln entwickelten. Mein ganzer Körper wurde hart, jegliches Fett war verschwunden. Einen Sack Kohle warf ich wie ein Daunenkissen über die Schulter, einen dicken Baumstamm von drei Metern Länge schulterte ich alleine, auf der Treppe, die aus dem Kohlenlager heraufführte, nahm ich drei Stufen auf einmal, mit einem Träger Briketts auf dem Rücken.
    Die Hornhaut auf meinen Händen war so dick, daß ich die rotglühenden Ofentüren zuschlagen konnte, ohne mich zu verbrennen. Die Hitze ließ den Schweiß gar nicht erst fließen, sondern verdampfte ihn gleich zu Luftfeuchtigkeit. Nachts träumte ich von großen brüllenden Feuern und Gebirgen aus Briketts. Ich hatte aufgehört zu denken, nicht einmal im Traum kam ich auf die Idee, daß es etwas Wichtigeres geben könnte als Öfen und Kohle, lodernde Flammen und das Fortkommen der Moloch.
    Es waren wohl schon einige Monate vergangen, als ich zum ersten Mal den Himmel wiedersah. Die ganze Zeit hatte ich im eisernen Bauch der Moloch zugebracht, das einzige, was ich von der Außenwelt zu sehen bekam, war das runde Loch, durch das wir die Asche ins Meer kippten, verhangen von fettigem Qualm. Manchmal steckte ich den Kopf hindurch, um frische Luft zu schnappen, aber der Himmel war immer vom Molochruß verdeckt. Unten war das ölverseuchte Meer, aus dem die Haie nach tieffliegenden Möwen schnappten.
    Einer der Öfen hatte ausgedient, Wolpertinger schraubten ihn auseinander, und wir anderen mußten die Einzelteile an Deck schaffen, um sie dort über die Reling ins Meer zu werfen.
    Als ich die schwere Ofentür an Deck gewuchtet hatte, fuhr ein scharfer Wind über die Moloch und teilte den Rauch. Dahinter lag ein wundervoller Sommertag, ein blauer klarer Himmel, mittendrin funkelte hell wie ein Diamant die Sonne.
    Ein Sonnenstrahl fuhr auf uns nieder und schuf auf dem Deck für einen kurzen Moment eine Lichtung. Ich genoß diesen Augenblick in der Sonnenwärme und starrte fassungslos ins Licht, wodurch ich minutenlang erblindete. Dann faltete der Qualm sich wieder über uns zusammen, und die Yetis trieben uns zurück ins Innere der Moloch. Auf der Treppe, den Ellbogen eines Yetis im Rücken, kam mir der Gedanke, warum ich mir das eigentlich gefallen ließ. Das Licht der Sonne hatte in mir den Verstand wieder entfacht.
    Nach einigen Tagen war ich soweit, wieder Pläne schmieden zu können. An Flucht war nicht zu denken, Unterstützung von meinen Mitgefangenen (waren sie überhaupt Gefangene? Oder waren sie freiwillig hier?) war nicht zu erwarten, also unternahm ich den Versuch, die nächsthöhere Autorität über den Yetis und Wolpertingern kennenzulernen.
    Je größer ein Schiff ist, um so nötiger braucht es einen Kapitän, und dies hier war das größte Schiff der Welt. Irgendwo an Bord mußte jemand sein, der es steuerte, der die Seekarten las, den Kurs bestimmte und die Verantwortung trug. Vielleicht war das ja eine umgängliche Person. Vielleicht wußte sie gar nichts über die skandalösen Arbeitsbedingungen in der Ofenhölle, denn blicken ließ sie sich bei uns nie. Jemand, der solch ein Schiff auf Kurs halten konnte, dürfte über mehr verfügen als ein Yeti-Gehirn. Ich mußte nur an diese Person herankommen. Dann würde ich ihr klarmachen, daß ich für die Ofenhölle überqualifiziert war.
    Also legte ich ganz einfach die Arbeit nieder.
    Das war schon der ganze Plan. Ich warf meine Schaufel mitsamt der Kohle in den Ofen, verschränkte die Arme und wartete ab. Im Nu war ein Yeti bei mir.
    »Weitermachen«, bellte er

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