Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
völlig verkommen! Lügen und betrügen! Grundlos und mit Stolz bösartig sein! Das kann ich! Darin bin ich ganz große Klasse! Brauchst du einen Unhold ohne jeden Skrupel? Dann bin ich dein Mann! Aber eine einzige gute Tat - unmöglich!«
Mir kam ein Gedanke, dem man zu Recht den Vorwurf der Genialität machen kann. Mir waren die beiden Tratschwellen eingefallen. Sie hatten sich mit unlauteren Vorsätzen an mich herangemacht, dann aber zu einem neuen Lebensinhalt gefunden, indem sie mir das Sprechen beibrachten.
»Ich habe eine Idee! Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe! Du zeigst mir einfach den Weg ins Freie! Auf die Art komme ich endlich aus diesem Labyrinth heraus, und du tust eine gute Tat. Das ist die Lösung für all unsere Probleme. Du kennst doch den Weg zum Ausgang?«
Der Stollentroll sah mich mißtrauisch an.
»Klar. Bin schon oft dagewesen. Kein angenehmer Ort. Zuviel frische Luft. Zuviel Licht. Aber ich kann dich hinbringen, klar. Du meinst, das hilft?«
»Hundertprozentig! Ich kenne welche, deren Leben hat sich durch eine gute Tat völlig verändert.«
Zumindest war ich mir sicher, daß diese gute Tat mein Leben positiv beeinflussen würde.
»Ich glaub' ja nicht dran«, sagte der Troll. »Aber wir können's mal versuchen.«
Der Stollentroll marschierte voran. Ich konnte sehen, wie eine Veränderung mit ihm vorging. War er anfangs noch mißmutig vor mir hergeschlurft, so richtete er sich jetzt immer mehr auf. Sein Gang wurde leicht und federnd, fast tänzerisch.
»Kähähä! Das ist ja phantastisch!« rief er. »Je näher wir dem Ausgang kommen, desto besser fühle ich mich. Mir geht es großartig ... ich fühle mich ... wie ...wie soll ich sagen?«
»Gut?«
»Gut! Genau das ist das Wort! He - ich fühle mich gut!«
»Das ist der Lohn der guten Tat!« klärte ich ihn auf. »Das reine Gewissen. Man lebt regelrecht auf.«
»Ich glaube, ich werde mein ganzes Leben ändern«, rief der Troll begeistert. »Ich könnte soviel Gutes tun. Ich könnte mit dir gehen. Die Finsterberge verlassen. In ein armes Land gehen und den Bedürftigen helfen. Jeden Tag eine gute Tat. Kähähä!«
»Das ist ein sehr schöner Vorsatz«, munterte ich ihn auf. »Wenn man einmal weiß, wie es geht, kann man es nicht mehr lassen. Es ist wie eine Sucht!« Ich konnte einen gewissen Stolz in mir selbst nicht verleugnen. Es ist schön, wenn man jemandem helfen kann, noch dazu in so einschneidender Weise.
»Allerdings! Ich kann es schon gar nicht mehr abwarten, meine nächste gute Tat zu tun! Ich hätte nie gedacht, daß ich dazu fähig wäre!«
»Man weiß es nie, wenn man es nicht probiert hat.«
»Und du würdest mich wirklich mitnehmend Auf deinen Abenteuernd« fragte der Stollentroll.
»Wie kommst du denn darauf?«
»Naja, ich dachte, wir könnten gemeinsam ... ich meine, da draußen ...«Er stockte.
»Du willst wirklich die Finsterberge verlassen?«
»Alleine würde ich mich nicht trauen. Aber mit jemandem wie dir — das war' schon eine andere Sache.«
Ich betrachtete den Stollentroll von der Seite. Allmählich bereute ich meine Hilfsbereitschaft schon wieder. Mit so einer Kreatur am Hals würde es sicher nicht einfacher sein, es im wirklichen Leben zu etwas zu bringen. Aber was man angefangen hat, muß man zu Ende bringen. »Selbstverständlich. Ich nehme dich mit.«
Der Stollentroll führte einen rührenden kleinen Freudentanz vor mir auf und reichte mir seine Hand. Ich schlug ein. Sie war noch feuchter und klebriger als sein Rücken.
Wir waren jetzt schon einige Stunden marschiert, aber ein Stollenausgang kam nicht in Sicht.
»Ist es noch sehr weit?« fragte ich.
»Das kann man wohl sagen«, löcherte der Troll und sprang in einen Seitenstollen. »Kähä!«
»Was machst du?« rief ich ihm nach.
»Ich lasse dich im Stich!« kam es aus der Finsternis.
»Was? Warum tust du das?«
Seine Antwort kam von weit weg. »Schwer zu sagen. Ich bin eben ein Stollentroll. Ich kann nicht anders.« Seine Stimme war jetzt schon so weit entfernt, daß ich sie kaum noch hören konnte. »Ich hab' dich noch viel tiefer in die Irre geführt. Als wir uns getroffen haben, warst du ganz dicht vor dem Ausgang. Kähä! Kähähähähähäää!«
Das letzte, was ich von ihm hörte, war sein meckerndes Gelächter. Dann war ich wieder allein. Ich setzte mich auf den Stollenboden und fing an zu lachen. Es war kein sehr angenehmes Lachen, mir schauderte selbst vor dem Echo. Wenn es einen Rat gibt, den ich Lesern meiner
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