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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Lebensgeschichte mit auf den Weg geben kann, dann diesen: Verlassen Sie sich niemals auf einen Stollentroll!
    Dies war das Ende, soviel stand fest. Meine Kräfte waren erschöpft, jede Hoffnung und jeder Glaube (besonders an Stollentrolle) zunichte. Ich war müde und fühlte mich alt, mindestens hundert Leben alt. An einer Stollenkreuzung, die mir sehr bekannt vorkam, setzte ich mich hin und schlief sofort ein.
    Es war ein leiser Luftstrom, der in mein Ohr blies und mich weckte. Ich richtete mich auf.
    »Hallo!« sagte eine dünne Stimme.
    Niemand war zu sehen.
    »Wo bist du?« fragte ich.
    »Hier, genau vor dir!« säuselte die Stimme.
    »Ich kann dich nicht sehen.«
    »Niemand kann mich sehen. Ich bin ein Lufthauch.«
    Es war der Lufthauch, den ich schon mehrmals gespürt hatte. Ich hatte mich noch nie mit Wind unterhalten, aber ich wollte es wenigstens versuchen.
    »Kennst du den Weg aus den Finsterbergen?« fragte ich. »Dann würde ich wohl kaum hier in diesem stickigen Stollen rumgeistern«, antwortete der Lufthauch. »Ich wäre zusammen mit meinen Brüdern und Schwestern da draußen über den Bergen und Meeren! Ich würde mit ihnen die Wolken über den Himmel schieben oder einen gewaltigen Sturm zusammenbrauen. Ich würde etwas Nützliches tun, ein Schiff über den Ozean pusten oder eine Windmühle antreiben - alles, außer hier in diesem Labyrinth des Wahnsinns zu vergammeln.«
    »Wie bist du hier reingekommen?«
    »Oh Mann - das war der unseligste Tag in meinem Leben! Ich verfluche ihn noch heute! Ich segelte über die Finsterberge, an einem wundervollen klaren Herbsttag ... vollkommen frei ...«
    Der Lufthauch seufzte.
    »Da kam ich an diesem Gipfel vorbei. Er war völlig durchlöchert. Ich wehte zu ihm hin, guckte hinein, fragte mich, wie so ein Berg wohl von innen aussieht... Ich sah mich ein bißchen darin um - und das ist auch schon die ganze Geschichte. Bis heute suche ich nach dem Ausgang. Wie bist du denn hier reingekommen?«
    »Mein Lehrer hat mich reingeschickt.«
    »Nachtigaller?« fragte der Lufthauch.
    »Ja! Woher kennst du seinen Namen?«
    »Ich habe schon viele hier drin getroffen, die seinen Namen verfluchten! Ihre Gebeine liegen überall in den Labyrinthen der Finsterberge!«
    Mich schauderte.
    »Vielleicht sollten wir uns zusammentun«, sagte ich. »Gemeinsam finden wir den Weg vielleicht schneller.«
    »Das bezweifle ich«, gab der Lufthauch zurück und pfiff ver- ächtlich. »Du bist viel zu langsam. In der Zeit, in der du hier herumtappst, habe ich schon hundertmal die gleiche Strecke abgesucht. Und ich bin schon seit über viertausend Jahren in diesem Stollen gefangen. Daran kannst du dir ungefähr die Chancen ausrechnen, die du hast. Kähähä!« Der Windhauch lachte hämisch, ein Lachen, das mir irgendwie bekannt vorkam.
    Immer noch meckernd, kristallisierte er vor mir und formte sich zu einem Stollentroll.
    »Du wirst jetzt denken, ich sei ein Stollentroll«, sagte er. »Aber ich bin gar kein Stollentroll. Ich bin nur ein Windhauch, der vorübergehend die Form eines Stollentrolls angenommen hat. Das klingt doch überzeugend, oder?«
    Ich hatte alle Muskeln angespannt und war bereit, den kleinen Gnom anzuspringen, um ihn so lange in den Schwitzkasten zu nehmen, bis er mir den Ausgang gezeigt hatte - als plötzlich der Boden anfing zu vibrieren.
    »Oh, ein Stollenbeben!« bemerkte der Stollentroll. »Besser, du löst dich jetzt in Luft auf, wie ich! Sonst kann ich nicht für deine Sicherheit garantieren. Kähähä!«
    Kichernd löste er sich in Luft auf.
    Und ich erwachte.
    Eines hatte ich nicht geträumt: Der Boden vibrierte tatsächlich beachtlich. Dazu kam ein beängstigendes Geräusch, laut, wild und gefährlich, eine Bedrohung aus Lärm. Es klang, als würde sich etwas durch den Eisenberg bewegen, unaufhaltsam und gezielt auf mich zu. Es krachte und mahlte, als ob Eisberge gegeneinander prallten, und manchmal glaubte ich sogar so etwas wie ein Rülpsen zu hören, so laut und hohl wie von einem Drachen, der in einem Brunnenschacht sitzt. Dann wieder feuriges Zischen und Prasseln, es wurde unerträglich heiß, die Stollenwand begann zu glühen wie eine heiße Herdplatte, erst rot, dann gelb und schließlich weiß. So schmolz sie zusammen, ein weißer See aus flüssigem Eisen. Ich mußte zur Seite springen, damit der Metallstrom mir nicht die Füße wegsengte. Die Geräusche erstarben. Durch das Loch in der Wand quoll fetter schwarzer Eisenqualm. Meine Angst verlor sich in Neugier

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