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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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und die Angst im Nacken, was enorm beflü- gelt. Offensichtlich war ich ein Naturtalent, was Lauftechnik anging. Minute um Minute gewann ich an Vorsprung, Meter um Meter fiel die Spinne zurück. Irgendwann, da war ich sicher, würde sie ganz zurückfallen und aufgeben. Ihre Schritte klangen schon nach einer halben Stunde Dauerlauf entfernter in meinen Ohren:
    BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM!
    Die zweite Stunde war noch einfacher. Es war, als würde mein Körper durch die frische Luft neue Energie produzieren und sie durch meine Adern direkt in meine Beine pumpen. Ich geriet in einen regelrechten Rausch, meine Schritte wurden immer ausholender, meine Zuversicht wuchs. Je länger ich lief, desto größer schienen meine Energiereserven zu werden: Energiegewinn durch Energieverbrauch, Pausen bringen überhaupt nichts. Pausen machen müde, und danach kommt man nie mehr so in die Gänge wie zuvor. Ich legte sogar noch an Tempo zu. Die Spinne fiel mehr und mehr zurück.
    BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM!
    Die dritte Stunde verlief nicht mehr so unproblematisch. Ich hatte angefangen zu schwitzen, mehr als ich es jemals getan hatte, selbst in der stärksten Hitze. Das salzige Wasser lief mir überall durch den Pelz. Der Schweiß lief auch nicht richtig ab, sondern blieb im Fell hängen, denn ich hatte keine Gelegenheit, einmal kurz anzuhalten und mich auszuschütteln. Dadurch wuchs mein Körpergewicht beträchtlich, es war, als hätte man mir nasse Handtücher übergeworfen. Das Wasser nahm mir manchmal sekundenlang vollständig die Sicht, so daß ich aufpassen mußte, nicht gegen einen Baum zu rennen. Aber ich war noch der Meinung, das Rennen klar zu gewinnen, obwohl die Spinne wieder Land gewonnen hatte. Ihre Schritte waren wieder deutlich lauter geworden.
    BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM!
    Die vierte Stunde war wieder deutlich leichter, vielleicht weil ich meinen Körper nicht mehr spürte. Ich war ein fliegender Geist geworden, körperlos, nur eine Seele, die über den Waldboden glitt wie ein Luftkissenboot. Mein Körper hatte entweder den Schmerz und die Erschöpfung überwunden, oder er war, was mir wahrscheinlicher vorkam, irgendwann stehengeblieben und hatte sich hingesetzt, denn ich spürte ihn nicht mehr. Nur mein Verstand schien weiterzulaufen, der aber war schnell wie der Wind. Die Spinne war jetzt fast außer Hörweite.

    BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM! BROMM!
    In der fünften Stunde wußte ich nicht mehr, wer oder wo ich war und was ich da eigentlich tat. Manchmal hätte ich beinahe einfach aufgehört zu laufen, aus schierer Verwirrung, aber dann meldete sich glücklicherweise mein Verstand wieder und bewahrte mich vor dem Schlimmsten. Mein Geist geriet in die seltsamsten Zustände. Ich wurde zunehmend größenwahnsinnig, ich glaubte zeitweise tatsächlich, daß der Wald nur dazu da war, von mir durchlaufen zu werden. Mein schwereloser Körper stieg immer höher, bald konnte ich den Wald komplett überblicken, und ich war sicher, daß ich jede Bewegung darin überwachte, ich lenkte jede Wurzel, das Wachstum und Geschick jedes einzelnen Grashalmes, Astes und Blattes im ganzen Gehölz. Dann stieg ich noch höher und konnte ganz Zamonien überschauen mit seinen Lebewesen, die ich alle einzeln wie mit einer Riesenlupe erkennen konnte, mit dem Namen kannte und deren Geschicke ich weise lenkte. Schließlich stieg ich auf ins Weltall und überblickte den ganzen Planeten, überwachte fachmännisch seine Rotation und Anziehungskraft und dirigierte ein paar Orkane über die Ozeane.

    Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und
Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
    Marathonfieber, das: Seltenes Phänomen, welches ausschließlich bei zamonischen Waldläufern beobachtet wurde. Nach etwa fünf Stunden heftigen Marathonlaufs steigt die Körpertemperatur unter den hochwertigen Sauerstoffkonzentrationen zamonischer Mischwälder auf 45 Grad Celsius. Bei einem stehenden oder liegenden Lebewesen würde das den Tod bedeuten, bei einem laufenden werden dadurch lediglich im Blut sogenannte freischweifende Bazirren freigesetzt, das sind bazillenähnliche Blutkörperchen, die vorübergehende Wahnvorstellungen auslösen, wenn sie im Gehirn angelangt sind. Dies gereicht dem Marathonläufer aber nicht zum Nachteil, im Gegenteil, es dient dazu, ihn über die natürliche Erschöpfung

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