Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
Wüste, die: Wüsten sind in der Regel breitsäumige, ebene Landstriche, bei denen es infolge Wassermangels mit der Vegetation gesamtflächig hapert, außer an Stellen, wo unterirdische Quellen der Oasenentstehung Vorschub leisten. Man unterscheidet je nach Bodenbeschaffenheit zwischen Fels-, Sand-, Salzoder Zuckerwüsten. Die Süße Wüste ist eine Mischwüste letzterer Ordnung aus präkambrischem Muschelkalk, frühzamonischem Lavamehl und prähistorischem Zuckerstaub mit einem Brennwert von etwa 55 000 Kalorien pro Quadratmeter. Entstanden ist der Zuckerstaub aus einer wildgewachsenen Zuckerrohrsteppe, die durch die jahrtausendelange Sonnenbestrahlung zu reinem kristallinen Rohrzucher konzentriert wurde. Der Bodenzucker der Süßen Wüste ist ein süßlich schmeckender, in Wasser und Alkohol, aber nicht in Äther löslicher Kohlehydratkörper, der mit Phenylhydrazin Osazone bildet, und zwar, je nach der Anzahl der Kohlenstoffatome im Molekül, Triosen, Tetrosen, Pentasen, Hexosen, Heptosen, Oktosen und Nonosen.
Die Oberflächenformationen der Süßen Wüste sind aufgrund der Backigkeit ihrer Grundsubstanz wesentlich vielfältiger und bizarrer als bei anderen Wüsten. Eine große Rolle bei der skulpturellen Gestaltung der Süßen Wüste spielt der Wind, sowohl als transportierendes wie auch als denudierendes Agens. Er hebt hier den Zuckerstaub auf, trägt ihn viele Kilometer durch die Luft, um ihn dort einer schon bestehenden Zucker-Skulptur hinzuzufügen, vielleicht nur, um Stunden später Teile des Gebildes wieder abzuschleifen. So verändert sich die äußere Erscheinung der Süßen Wüste permanent und viel dramatischer als bei anderen Wüsten. Bei ausreichender Luftfeuchtigkeit entstehen bei gleichzeitiger aktiver Windtätigkeit aus
Zuckerstaub und Wasser skulpturelle Kunstwerke, die jeden Steinmetz vor Neid erblassen lassen würden.
Die phantasievolle Gestaltung dieser Wüstenoberfläche war immer schon ein Magnet für Abenteurer, Hasardeure und andere haltlose Gesellen, die das Unreguläre dem Geordneten vorziehen. Viele sind in die Süße Wüste gezogen, um dort ihr Heil zu suchen, aber nur wenige davon sind auch zurückgekehrt, und wenn, dann nicht selten in geistiger Umnachtung.
Geweckt wurde ich von der Waldspinnenhexe. Sie stand direkt über mir, als ich die Augen aufschlug. Geblendet vom Sonnenlicht, sah ich zunächst nur ihre dünnen, langen, haarigen Beine. Genüßlich ließ sie ihr Sekret direkt in mein Gesicht tropfen. Die zersetzende Wirkung hatte schon eingesetzt, denn es gelang mir nicht, auch nur einen Finger zu krümmen. Vielleicht war mein Körper auch schon gar nicht mehr vorhanden oder zumindest zur Hälfte verflüssigt. Ich versuchte zu schreien, aber auch das gelang mir nicht mehr.
Dann wurde ich richtig wach. Ein freundlich, aber auch ein bißchen dämlich aussehendes Kamedar stand über mir auf seinen dünnen wackligen Beinen und leckte mein Gesicht.
Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und
Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
Kamedar, das: Säugetiergattung aus der Ordnung der Huftiere und der Schwielensohler [Tulopoda]. Das Kamedar ist eine Kreuzzüchtung aus Kamel und Dromedar, verfügt über die vereinigten Eigenschaften dieser beiden Trampeltiere und über drei Höcker. Das Kamedar ist inklusive Schwanz zirka drei Meter dreißig lang und zwei Meter zwanzig hoch, von sensationell niedriger Intelligenz, aber hoher Belastbarkeit unter extrem-
sten Wüstentemperaturen. Es ist aufgrund seiner Vielhöckrigkeit in der Lage, enorme Wassermengen zu speichern, und kann in Notfällen bis zu drei Wochen ahne Flüssigkeit seine volle Arbeitsleistung bewältigen. An den Höckern befinden sich angezüchtete Melkzitzen, aus denen man mit etwas Geschick jederzeit Trinkwasser abzapfen kann. Vom Erscheinungsbild her ist das Kamedar blöde bis häßlich. Mit verfilztem Körperhaar, unsicherem Gang, halbgeschlossenen Augen und enervierendem Geblöke macht es nicht gerade den Eindruck eines idealen Reittieres; es ist aber vom Wesen her gutmütig und treu sowie vermittels eines primitiven Zaumzeugs leicht steuerbar, und schließlich ist es anspruchslos in der Ernährung. Außerdem eignet sich sein getrockneter Dung hervorragend zum Verfeuern. Gezüchtet wird das Kamedar vom Nomadenstamm der ->Gimpel , die seit Urzeiten die Süße Wüste durchstreifen, angeblich auf der Suche nach einer legendären Stadt namens ->Anagram Ataf.
Das
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